Thor: Tag der Entscheidung – Witzelnder Donnergott

Thor kämpft gegen Hulk
©Marvel Studios 2017

Comicverfilmungen kann man mögen oder verdammen. Und auch wenn es so scheint, dass Hollywood momentan nicht viel anderes produziert, schaffen es pro Jahr eigentlich nur sechs bis sieben Comic- bzw. Superheldenfilme in unsere Kinos. Das ist angesichts der zahlreichen Kinostarts im Jahr immer noch ziemlich wenig. Trotz des anhaltenden Erfolges, die das Marvel Studios in den letzten zehn Jahren damit verbuchen konnte, war der Donnergott Thor immer so etwas wie ein Sorgenkind unter den Superhelden. Wird Regisseur Taika Waititi mit seinem „Thor: Tag der Entscheidung“ dies ändern können?

Zunächst einmal mag das daran liegen, dass eine nordische Gottheit wenig Identifikationspotential für das Kinopublikum bietet. Natürlich gilt das bis zu einem gewissen Grade für alle übermenschlichen Superhelden. Dennoch war insbesondere Marvel immer erfolgreich darin, seinen Helden eine reizvolle menschliche Komponente zu verleihen. Im ersten Film der Thor-Reihe versuchte es Regisseur Kenneth Branagh mit einem Ansatz, der an eine Art Shakespeare-Familientragödie erinnerte. „Game of Thrones“-Stammregisseur Alan Taylor gab dagegen dem zweiten Film einen unverkennbaren Fantasy-Touch. Beides Filme, die selbst die Marvel-Fangemeinde nicht gerade wohlwollend betrachtet. Nun wagt sich der neuseeländische Komödienregisseur Taika Waititi („5 Zimmer Küche Sarg“, „Wo die wilden Menschen jagen“) an den vermutlich letzten Teil der Göttersaga.

“Thor: Tag der Entscheidung“ – Götter-Familientreffen mit explosiven Ausgang

Nach zahlreichen Abenteuern auf der Erde mit seinen Co-Avengers und nachdem er mit seiner menschlichen Freundin Jane Foster (Natalie Portman) schlussgemacht hat, reist Thor durch das Universum und vermöbelt jede Menge böse Monster. Irgendwann muss aber auch der heldenhafteste Donnergott mit den dicksten Muskeln wieder in seine Heimat zurückkehren. Im Königreich Asgard angekommen, stellt er jedoch fest, dass sein böser Adoptivbruder Loki (Tom Hiddleston) den gemeinsamen Vater Odin (Anthony Hopkins) in ein Altersheim auf der Erde verfrachtet hat. Nach einer langen, mühseligen und immerhin für das Publikum amüsanten Suche, können Thor und Loki den verschollenen Vater finden. Dieser eröffnet seinen beiden überraschten Söhnen, dass sie eine Halbschwester namens Hela (Cate Blanchett) haben.

Hela (Cate Blanchett) strebt nach Macht
© Marvel Studios 2017

Diese war etwas zu ambitioniert, als es darum ging, Odins Nachfolge als Herrscherin über das Götterreich anzutreten. Als Folge verbannte Odin seine Tochter, ist inzwischen aber zu schwach, um diesen Bann aufrecht zu erhalten. Hela kehrt zurück, ist aber sicherlich nicht an einer friedlichen Familienzusammenführung interessiert. Vielmehr möchte sie Asgard und die dazugehörige Bevölkerung gewaltsam unterwerfen.

Im selben Atemzug kickt sie Thor und Loki aus dem Olymp. Die stranden auf einem fremden Planeten, der trotz fortschrittlicher Technologie mehr an eine intergalaktische Müllkippe erinnert. Hier wird Thor gefangen genommen und muss künftig Gladitiatorenkämpfe für den exzentrischen Despoten Grandmaster (Jeff Goldblum) austragen. Praktischerweise trifft er dabei einen großen, grünen und vor allem wütenden Bekannten, der ihm dabei helfen soll, sich aus der misslichen Situation zu befreien und die böse Schwester in die Flucht zu schlagen.

Thor nimmt sich selbst nicht ernst und das Publikum sollte es auch nicht tun

Chris Hemsworth (rechts) als Thor und Mark Ruffalo (links) als Dr. Bruce Banner
© Marvel Studios 2017

Niemand wird abstreiten, dass der Plot von „Thor: Tag der Entscheidung“ kompletter Nonsens ist – wahrscheinlich noch nicht einmal Regisseur Taika Waititi oder seine drei Drehbuchautoren Eric Pearson, Craig Kyle und Christopher Yost. Und niemand, die oder der diese Zeilen liest und schon vorher keine Comicverfilmungen mochte, wird sich von der Story umstimmen lassen. Das ist im Grunde nicht schlimm, denn der Film nimmt weder sich selbst noch seinen Helden sonderlich ernst. Hierbei handelt es sich jedoch um ein zweischneidiges Schwert: Die meisten guten Comic-Adaptionen finden generell einen gesunden Mittelweg zwischen Pathos und Augenzwinkern bzw. Selbstironie. Und die meisten Marvel-Verfilmungen haben diesen Balance-Akt bisher gut bis sehr gut hinbekommen. Leider vergisst „Thor: Tag der Entscheidung“ bei seinen ganzen Slapstick-Einlagen fast jedwede Form von Dramatik.

Kurzweilige Comicadaption, die mehr Pathos verdient hätte

Dabei macht Regisseur Waititi nicht unbedingt viel falsch. Die Actionszenen wissen einigermaßen zu unterhalten, auch wenn sein Film zum Schluss im Genre-typischen CGI-Gewitter untergeht. Die Gags reichen von überraschend-erheiternd bis langweilig-vorhersehbar. Der dritte Teil der „Thor“-Saga erstickt allerdings fast an dieser Gagdichte. So sind mitreißend gemeinte Szenen nicht mehr wirklich mitreißend. Das wirkt sich insbesondere auf den dritten Akt aus, dem jegliches dramatische Gewicht fehlt.

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Die Comicaction bleibt trotzdem kurzweilig und unterhaltsam, auch wenn sie sich nicht besonders von anderen Comicverfilmungen abhebt. Dies zeigt sich besonders in der Optik, weil das Marvel Studio schon lange daran arbeitet, seinen Filmen einen einheitlichen Look zu verpassen und seinen Regisseuren zumindest auf dieser Ebene jegliche Individualität auszutreiben.

Thors Superhelden-Kollegen kommen etwas zu kurz

Tessa Thompson (rechts), Rachel House (links), Jeff Goldblum (mitte) schnappen sich Thor
© Marvel Studios 2017

Leider macht der „Thor: Tag der Entscheidung“ aus seiner durchweg charmanten Besetzung recht wenig: Chris Hemsworth ist immerhin einer dieser gut aussehenden, muskelbepackten Schauspieler, der sich auf clevere Art und Weise selbstironisch verkaufen kann. Nicht voll ausgespielt wird dagegen der unsichere Charme und die Intelligenz seines Schauspielkollegen Mark Ruffalo. Dieser wird zwar wahrscheinlich niemals seinen eigenen Marvel-Film bekommen, aber darf hier immerhin eine tragende Rolle als Dr. Bruce Banner absolvieren.

Tessa Thompson hat als stets betrunkene und wild um sich schießende Valkyrie augenscheinlich am meisten Spaß. Und Jeff Goldblum ist mit seinem exzentrischen Improvisationstalent generell ein Gottesgeschenk für jede Blockbusterproduktion. Nicht zuletzt macht Cate Blanchett wesentlich mehr aus einer relativ undankbaren und doch recht eindimensionalen Todesgöttin, die alles in Schutt und Asche legt, aber sonst kaum Motivation oder Emotion zeigen darf. Unmotivierte Gastauftritte anderer Marvel-Helden gehören leider ebenfalls hin und wieder zum Vokabular des Marvel-Studios, auch wenn sie für den Film selbst keinen Sinn ergeben.

Fazit: „Thor – Tag der Entscheidung“ bleibt wie schon seine Vorgänger ein kurzweiliger Spaß, dessen tolles Ensemble leider etwas verschwendet wird. Zu vieles geht in vorhersehbaren und etwas belanglosen Gag- und Actionfeuerwerk unter, so dass die Szenen, die unbedingt dramatisch wirken möchten, kaum noch mitreißen können.

Stefan Turiak

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