Hilfe, meine Waage geht vor!
Teil III
Mathematisch-physikalische Biochemie
Gewichtsreduktion als Naturwissenschaft. Da ist das Abnehmen klar definiert und einfach zu handhaben.
Führe weniger Energie zu, als benötigt wird. Zwangsläufig müssen dann, zur Verrichtung der gleichen Arbeit, die individuellen Ressourcen eingesetzt werden
Physik hab ich in der Schule erst nie gemocht. Kleine Gewichte mit der Federwaage messen, Kraftdiagramme zeichnen und Kräfte berechnen. So ein Zeug braucht kein Mensch.
Oder doch?
Jetzt weiss ich, je grösser die Geschwindigkeit desto härter der Aufprall.
Je mehr Energie ich meinem Körper zuführe, ohne sie zu nutzen, desto schlechter sehe ich die Anzeige auf der Waage. Das hat nichts mit meiner geminderten Sehkraft zu tun, die reguliere ich schon ein paar Jahre mit Kontaktlinsen. Es ist eher das wachsende Energiedepot oberhalb, oder, also zwischen Hals und Knie, was die optische Linie zwischen Auge und Digitalanzeige versperrt.
Grundsätzlich kann ich also liegen und nichts tun und müsste trotzdem abnehmen, wenn ich keine neue Energie zuführe.
Aber, es ist Sonntag früh. Die Sonne ist dabei, die Wolken des Nachtregens vom Himmel zu putzen und dem Azur Platz zu machen.
Vor meinem geistigen Auge deckt sich, wie von Zauberhand, der Tisch. Frischer, heisser Kaffee, mit Zucker und Milch. Der Butterzopf, glänzend braun gebacken, liegt parat zum Schneiden. Konfitüre und Honig, Schinken und Lachs, dazu frischen Orangensaft.
Allein der Gedanke daran lässt mein Bewusstsein in den Hintergrund rücken und die Gier nach Genuss übernimmt den Körper.
STOP, das ist mein Körper. Ich bin der Bestimmer.
Ohne die Energiemenge in Kalorienwerte zu fassen weiss ich, dass eine Scheibe Zopf pro Belagsvariante schon zu viel ist.
Es sei denn, ich erhöhe sofort den Energiestoffwechsel.
„Schatz, ich geh mal rasch mit dem Hund runter.“
„Schatz, wollen wir vor dem Frühstück joggen?“
„Schatz, lass uns skaten, die Sonne knallt noch nicht so.“
„Schatz, vor dem Frühstück mache ich noch ein Workout“.
Na gut, man kann es auch übertreiben. Aber der Hund muss runter. Unser Hund ist nicht so ein Drängler, der permanent an der Tür steht und mit der Leine wedelt. Er ist mehr ein Hofhund, der völlig gechillt mitten im Weg liegt und pennt. Dafür kann er sich auf Kommando lösen, was manchmal praktisch für die Gassirunde ist, aber weniger zuträglich für meinen Energieverbrauch.
Der Morgen ist jung und frisch. Rasch ein paar leichte Kleider übergeworfen und die Leine gegriffen. Schon beim Hose auswählen steht der Hund parat, er hat es wohl doch nötig.
Fernsehen bildet. Abnehmen wird oft und gut erklärt.
Bei einem Versuch, auf einem der gefühlten zig tausend Bildungskanäle, habe ich mal wieder etwas gelernt. Männer nehmen bei Kälte ab.
Echt cool. Der Mann als solcher, verfügt über mehr Muskelmasse als die Frau.
Bei Kälte von aussen versucht der Körper, die optimale Körpertemperatur von 36,5 Grad Celsius zu halten. Also das versucht der Körper grundsätzlich, auch bei Hitze, aber, bei Kälte ist der Energieaufwand grösser.
In den Muskeln wird Energie verbrannt, um Wärme zu erzeugen. Der Temperaturhaushalt wird reguliert, Ressourcen verbraucht. Man(n) nimmt beim Zittern ab.
Auf jeder Hunderunde in der Morgenfrische, verbrenne ich also etwas von meinem Energiedepot. Schade, dass die Anzeige auf der Waage nur eine Stelle hinter dem Komma hat. Sonst wäre der Erfolg doch besser messbar.
Der Hund bekommt noch Futter und ist somit vorerst versorgt.
Jetzt geht die Rechnung weiter und das Frühstück wird parat gemacht.
Im normalen Stoffwechsel werden zunächst Kohlenhydrate, dann Proteine und erst zum Schluss Fette abgebaut bzw. verbrannt. Wieso wird eigentlich das mit den grössten Energiereserven erst zum Schluss verbrannt?
Hat denn die Evolution nichts aus den optischen Idealen des Menschen gelernt?
Amadeus Stur
Amadeus Stur, Jahrgang 1964, Randberliner, seit 2011 in der Schweiz.
Ich schreibe aus der Seele und wenn nur ein Leser ein Lächeln auf die Lippen bekommt, hab ich Erfolg.
„Ein bisschen bekloppt ist völlig normal“
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