Wer hören will, darf auch fühlen!

Wer hören will, darf auch fühlen – Hörbücher für alle Sinne!

Wie entsteht ein Hörbuch und was ist das Besondere daran?

Im Rahmen der Medienprojektwoche 2017 des Joseph-Dumont-Berufskollegs in Köln beschäftigte sich der Vortrag von Kerstin Kaiser der Bastei-Lübbe AG sehr ausführlich mit der Produktion und dem Vertrieb von Hörbüchern und allen anderen Medien, die der bekannte Verlag aus dem Kölner Schanzenviertel nicht nur zum Lesen, sondern über das Hören für alle Sinne erfahrbar macht.

So gibt es bei der Abteilung Lübbe Audio, neben den allseits bekannten Hörbuchern und den spannenden Hörspielen, auch Filme als Hörspiel. Zumindest die Hörbücher und die Hörspiele sind mir als Mensch in seinen 50ern noch in den Publikationsformen Audiokassette oder Vinyl-Schallplatte bekannt. Im Zeitalter der Digitalisierung reichen diese althergebrachten, analogen Wege aber nicht mehr aus, um eine Hör-Geschichte gegen klingende Münze an den Mann oder die Frau zu bringen. Aufwendig gestaltete Booklets, weithin bekannte Sprecher, stringent durchdachte Marketingstrategien sind unabdingbar geworden, das millionenfache Verkaufen der Inhalte auf Download- und Streaming-Portalen wie Spotify und Deezer die Einnahmequelle Nummer 1 der Zukunft. Im Idealfall sollte dabei jedoch weder das digitale Produkt das Druckprodukt (ein Buch in seiner gewohnten Hardcover-Version) ersetzen, noch das Printwerk den Mehrwert des alle Sinne ansprechenden Audio-Genusses als unnötig erscheinen lassen.

Kerstin Kaiser ist bei Lübbe Audio seit vielen Jahren verantwortlich für die Programmatik und den Vertrieb. Über ihr Studium in Germanistik und Theaterwissenschaften und einer zufällig entdeckten Stellenanzeige des Kölner Großverlages geriet sie an ihre jetzige, spannende Wirkungsstätte. Kaiser beschrieb mittels einer sehr umfangreichen Power-Point-Präsentation und vieler interessanter Hörproben aus den verlagseigenen Studios, was alles zu einem guten und gelungenen Audioprodukt gehört.

Kerstin Kaiser, Leiterin von Lübbe Audio – Foto: Weichselbaumer

Das Buch für den Kopfhörer – Das Hörbuch als inszenierte Lesung

Ein Hörbuch könne zum Beispiel als inszenierte Lesung eines Werkes verstanden werden. Eine Lesung sei eine spezielle Form eines Hörbuches, in der der Sprecher durch passende Musik- und Geräuschkulissen atmosphärisch unterstützt werde und damit dem Zuhörer das Eintauchen in die Geschichte erleichtere. Dieser fühle sich durch das Hörerlebnis regelrecht in die dramatischen Wendungen der Protagonisten hineingezogen. „Das Schaffen von Emotionen“ sei auch ein sehr wichtiges Verkaufsargument für dieses Medium im Vergleich zum Print. Um diese gewünschte Atmosphäre optimal übertragen zu können, wird es von Kerstin Kaiser als sehr wichtig herausgestellt, für jedes Projekt die geeigneten Sprecher zu akquirieren. Meist seien dies professionelle Film- oder Bühnenprofis oder deutsche Synchronstimmen bekannter Schauspieler. Absolut notwendig wäre eine dazu relevante, professionelle Ausbildung, eher selten würden es branchenfremde Talente vor die Mikrofone schaffen, so Kaiser. Ebenso selten käme es vor, dass die Autoren der Printbücher ihre eigenen Werke selbst vertonen. Auch hier spräche meist die fehlende spezifische Ausbildung der Sprechstimme gegen eine entsprechende Umsetzung.

Die Produktion von Hörbüchern in den verlagseigenen Studios …

Man sei in der Produktion der Hörbücher insgesamt sehr autark. Im eigenen Tonstudio mit eigenen Tontechnikern werde also alles, bis hin zum Schnitt und Mastering, selbst in Angriff genommen. Als Produktionszeit gibt Kerstin Kaiser einen Zeitraum von etwa 12-16 Wochen an. Projektbezogen würden aber auch Autoren oder Sprecher in deren Räumlichkeiten besucht, was jedoch seitens der Tontechnik Schwierigkeiten mit sich brächte. Die meisten Sprecher seien in der Lage, etwa zwei CDs pro Tag als Arbeitsvolumen zu besprechen, aber hier gebe es bisweilen Ausreißer nach oben und nach unten. Frau Kaiser meinte hierzu, dass für den adäquaten Umgang mit den verschiedensten Sprecherpersönlichkeiten und gelegentlich schon mal Eitelkeiten ein abgeschlossenes Psychologie-Studium durchaus Sinn mache. Für die Produktion eines Hörbuches werde natürlich auch Musik verwendet. Hier achte man im Besonderen aus finanziellen und lizenzrechtlichen Dingen darauf, dass die Musiker nicht bei der GEMA Mitglied seien. Lizenzfreier Musik gebe man eindeutig den Vorzug, mittlerweile habe sich ein großes, eigenes Archiv darüber entwickelt, auf das immer wieder zurückgegriffen werden könne. Die einzigen Dinge, die bewusst außerhalb der eigenen Studios ablaufen, sind das Kürzen, Kontrollhören und Redigieren bei gekürzten Hörbuch-Fassungen, um durch das Wegstreichen von Inhalten möglicherweise entstehende logische Fehler zu vermeiden.

… und deren Kosten

Die Kosten für die Produktion ließen sich nach Kerstin Kaiser wie folgt aufschlüsseln. Pro Hörbuch verschlinge das Aufnehmen, Schneiden und Mastern in den eigenen Studios insgesamt 500 €, Honorare für Sprecher beliefen sich (mit Ausnahmen) auf etwa 500 – 1.000 €, für Kürzer im Bereich von 600 – 1.500 € und dem Grafiker, wenn man diese Aufgabe extern vergebe, um die 400 €. Für die Musik könne man etwa 100 € pro Titel veranschlagen, die Vervielfältigung (Presswerk und Drucksachen) tauche in der Kalkulation mit etwa 1,50€ pro CD (abhängig von der Auflagenhöhe, der Art der Verpackung und des Umfangs) auf. Weiterhin drehen an der Kostenschraube die Lizenzgebühren und die Rechte an Bildern für Cover und Autorenporträts. Sollte die Produktion außerhalb der Studios laufen, kämen noch Reisespesen in die Auflistung. Diese gesamten Produktionsaufgaben, Rechte und Honorargeschichten bedürften, so Kerstin Kaiser, einer exakten vertraglichen Fixierung.

Der Verkauf von Hörbüchern vs. Printbücher

In der Vermarktung der Hörbücher sei für Frau Kaiser eine möglichst zeitgleiche Publikation zum gedruckten Pendant wichtig. Eine Veröffentlichung z. B. ein halbes Jahr später wäre kaum erfolgsversprechend, da zu diesem Zeitpunkt schon wieder die ersten Print-Remittenden aus den Buchhandlungen bei den Verlagen landen würden und somit auch keine Verkaufsgrundlage mehr für das selbe Werk, nur in einer anderen Form, bestünde. Es werde auch nicht zu jedem Hardcover-Buch eine Audio-Umsetzung produziert. Man könne nach einer Faustregel davon ausgehen, dass die physischen Hörbücher (auf CD, ohne Mitnahme der Downloads und Streams) nur etwa 10% der Umsätze einer gebundenen Druckausgabe erreichen. Erst wenn bei einem gedrucktem Buch in der vorausgehenden Schätzung durch den Vertrieb mit einer Verkaufsauflage von 30.000 gerechnet würde, käme es auch als Hörbuch zur Umsetzung mit einer Kalkulation von 3.000 umzusetzenden Exemplaren. Diese 10%-Faustregel werde auch gelegentlich durchbrochen durch „Ausreißer“ wie beispielsweise das Hörbuch „Er ist wieder da“ mit der Stimme des bekannten Fernseh-Schauspielers Christoph Maria Herbst („Stromberg“). Bei Taschenbüchern gehe man im Verhältnis nur von etwa 1-3 % des Verkaufs für deren Audio-Adaption aus. Im Buchhandel sollte ein Hörbuch nicht teurer angeboten werden als das Hardcover.

Aufschlüsselung der Lübbe Audio-Warengruppe Hörbuch

In der Lübbe Audio-Warengruppe Hörbuch machen die Belletristik-Umsetzungen in etwa die Hälfte der Umsätze aus. Dabei seien vor allem die Titel aus den Bereichen „Spannung“, „Historienroman“ und „Frauenthemen“ am lukrativsten. Der anfangs eher als schlecht verkäuflich deklarierte Sektor „Humor“ habe in den vergangenen Jahren stark aufgeholt, was wohl auch mit dem Bekanntheitsgrad von Autoren und Sprechern wie Christoph Maria Herbst oder Dieter Nuhr in Verbindung zu bringen sei, so Kerstin Kaiser. Ein eher schwächerer Markt seien die Adaptionen aus der Lyrik. Der Verkauf der Hörbücher erfolge nicht nur über die bekannten Marktführer Saturn oder Media-Markt, das Programm werde ebenso über die VVA (arvato Bertelsmann) als Barsortiment-Äquivalent vertrieben. Im Buchhandel bekämen die Händler vielfach Hörproben verteilt, die diese dann an das passende Zielpublikum weitergeben. So könne man sehr aussagekräftig die Marktchancen eines Produktes einschätzen. Insgesamt seien „Hörbücher die Umsatzbringer“. Da für sie nicht die Buchpreisbindung wie Print-Büchern gelten, wären Rabattaktionen einfacher umsetzbar um Bundles anbieten zu können und auch Kunden wieder in Buchhandlungen zu locken.

Kerstin Kaiser und Medienwochen-Organisator Jonas Schulz stellen sich dem Auditorium – Foto: Weichselbaumer

Hörbücher sehr erfolgreich als Download und Stream

Den absoluten Zukunftsmarkt stellen jedoch die Download- und Streaming-Portale wie etwa Spotify oder Deezer dar. Im Gesamtumsatz bei Lübbe Audio, so Kerstin Kaiser, schlage dieser Vertriebszweig mittlerweile mit ca. 50% zu Buche, die Tendenz dabei sogar noch steigend. Im Download-Markt sei Audible, das mittlerweile zu 100% eine Amazon-Tochter ist, mit weitem Abstand in der Pole Position. Auf die weiteren Anbieter wie iTunes, Google Play oder Amazon selbst entfielen nur Prozentsätze im niedrigen, einstelligen Bereich. Bei den Streams hingegen bestimme Spotify das Geschehen, weitere wichtige Portale wären Napster, Deezer und Apple Music. Spotify stelle sich mit etwa 75 % der genutzten Streams schon sehr marktbeherrschend dar. Lübbe Audio nutze jedoch alle Plattformen um möglichst breit aufgestellt zu sein, so Kaiser. Das starke Aufkommen von Streaming-Plattformen mit seinen angenehmen Flatrate-Vorteilen habe wohl auch zum Rückgang der illegalen Downloads geführt. Hilfreich bei der Eindämmung dieser Rechtsbrüche seien auch spezialisierte Anwälte, die mit äußerster Konsequenz diese strafrechtlich relevanten Delikte verfolgen würden.

[AdSense-A]

 

Eher journalistisch – Das Feature

Das Feature entstamme dem Hörfunk, es seien meist Vertonungen aus dem Sachthemenbereich. Manchmal entstünden sie auch ohne jegliche Buchvorlage oder können bisweilen auch eine Alternative für Hörbücher sein, wenn beispielsweise bei einer Biografie sowohl der Autor für eine Lesung als auch die Verwendung eines fremden Sprechers für die Hörversion ungeeignet wären. Als aktuelles Beispiel hierzu nannte Kerstin Kaiser das aufwendig auf fünf CDs gepresste 7-Stunden-Interview des „Hansdampf-in-allen-Gassen“ unter den Sportreportern, Frank Buschmann, und dem Fußball-Nationalspieler Mesut Özil. Dessen aktuell vor wenigen Tagen veröffentlichtes Buch „Die Magie des Spiels“ wird durch dieses, wegen der bekannten Medienscheuheit des Profis vom englischen Premier League-Club Arsenal London beinahe sensationell anmutende Mammut-Interview, sehr gut ergänzt. Der Fan erhält einen Mehrwert durch Infos, die er wohl weit über das Buch hinausgehend erfahren würde. Teilweise geraten Features etwas teurer, wenn für das Verwenden von O-Tönen anderer Medienproduktionen (z. B. Musiksequenzen, Szenen früherer Sportereignisse etc.) Lizenzgebühren anfallen.

Das „Kino für das Ohr“ – Das Hörspiel

Atmosphärisch noch dichter als das Hörbuch – hier fungieren mehrere Sprecher in ihren Rollen, man ist an der Dramaturgie des Buches noch näher dran. Teilweise gebe es noch einen Erzähler, der aber mehr im Hintergrund bliebe und vor allem dem Fortlauf und dem Tempo der Geschichte diene, erklärte Kerstin Kaiser. Hörspiele sind wohl mit den Kinderbüchern auf Schallplatten aus früheren Zeiten am besten zu vergleichen. Sie seien in ihrer jetzigen Form meist sehr kostenintensiv in ihrer Produktion und seien auch in ihrer Preisbildung gewissen Limits unterworfen, so die Referentin. Die meisten Konsumenten seien durch Klassiker wie „Die drei ???“ einen Preis unter acht Euro gewohnt, ein Preis jenseits der zehn Euro wäre kaum darstellbar. Ein markttechnisches Problem sei nach Frau Kaiser auch, dass es nicht möglich wäre, Buchklassiker aus den Vereinigten Staaten zu vertonen. In den USA gäbe es für Hörspiele keinen Markt, somit kämen auch Vertonungen von Werken in den Rechteverwertungen nicht vor. Man werde so wohl niemals einen Autor wie Dan Brown auf die Kopfhörer bekommen, so das Fazit aus dem Vortrag.

Noch mehr „Kino für das Ohr“ – Das Film-Hörspiel

Es wird aus einem Kinofilm die Tonspur entnommen (Geräusche, Musik, Dialoge) und durch einen Sprecher ergänzt, der dem Zuhörer „das erzählt, was er nicht sieht“. Dies sei laut Kerstin Kaiser mit der Audio-Tonspur im Fernsehen für Menschen mit Sehbehinderung ungefähr vergleichbar, die Sprecherkommentare seien jedoch nicht so detailversessen in ihrer Ausführung wie im TV-Format. Leider gäbe es auch hier Probleme mit dem amerikanischen Markt, da die Filmindustrie dort durch eine reine Audio-Umsetzung ihre Filmrechte verletzt oder geschwächt sehen würde.

 

Weitere Informationen zu diesem spannenden Thema bekommen Sie über folgende Links:

httpss://jdbkmedientage.wordpress.com/2017/03/22/wer-hoeren-will-darf-auch-fuehlen-alles-ueber-das-hoerbuch/

https://lübbe-audio.de

Manfred Weichselbaumer 

Merken

Merken

Hinterlasse jetzt einen Kommentar

Kommentar hinterlassen

E-Mail Adresse wird nicht veröffentlicht.


*


*