Der Fuchs liegt dösend im Halbschatten, unweit des Weges. Die Sonne steht schon fast im Zenit und es ist heiss. Gleich frühmorgens hatte er guten Jagderfolg, er kann sich die Entspannung gönnen und dabei die Umgebung mit einem Auge beobachten. Über der nahen Weide zieht ein Milan ruhig seine Kreise. Auf dem Weg nähern sich Geräusche. Knackende Zweige am Boden und gemächliche, feste Schritte von 32 Hufen.
Die Pferde kommen mal wieder durch sein Revier. Keine Gefahr, er kennt sie bereits und es reicht, den Vorbeizug zu beobachten. Es ist eine stattliche Gruppe Rhön Reiter, die sich den Weg durch das Gelände bahnt. Wir befinden uns hier in der thüringischen Rhön. Dem grünen Herzen Deutschlands. Und grün ist es hier überall. Doch dafür hat die Gruppe im Moment kaum einen Blick. Die Wege, die sie nutzen sind schmal und bewachsen. Das Ziel der Reitpause kennt nur der Führende. Er möchte die berittene Gruppe zu dem Punkt am Horn bringen, an dem sich der Mischwald lichtet und den Blick über etliche Quadratkilometer der reizvollen Landschaft freigibt. Aber bis dahin ist der Weg noch anspruchsvoll.
Über die Wiesen geht es trabend, manchmal im Galopp, stetig bergauf. In der Gruppe haben die Reiter ihren Spass. Die offenen Zügel liegen locker in den Händen und die gut ausgebildeten Pferde reagieren schnell. Dann geht es in den Wald. Buchen, Eichen, Eschen, Fichten, Kiefern, verwachsenes Unterholz und freistehende Stämme mit einem Meter Durchmesser. Weitgehend naturbelassen ist der Wald hier im Biosphärenreservat. Der Weg ist steinig, manchmal von trockenem Schlamm überzogen. Konzentriert geben die Reiter die Zügel frei und die Pferde finden, aufgereiht wie auf einer Kette, ihren Weg. Ab und an gibt es einen Stolperer, aber schadenfrei geht es stetig bergauf.
Dann erreichen sie die Lichtung. Behäbig schwingen sich die Reiter aus ihren Sätteln. Sie sind schon einige Tage unterwegs und das stundenlange Sitzen auf den Pferderücken hat bei einigen Spuren hinterlassen. Nein, Reiten ist für die meisten von ihnen kein fester Bestandteil der täglichen Fortbewegung. Normalerweise arbeiten sie in Büros, Werkhallen, oder Geschäften. Das hier sind Gelegenheitsreiter, Reitanfänger, Ferienreiter. Mal raus aus dem täglichen Trott der Stadt, etwas anderes machen als jeden Tag. Dafür haben sie sich alle den Kontakt mit den Pferden ausgesucht. Und das, mit allem was dazu gehört.
Die Pferde stehen in der Herde auf den Weiden. Unter fachkundiger Anleitung werden die Pferde von der Weide geholt und für den Tagesritt parat gemacht. füttern, striegeln, bürsten, Hufe auskratzen, satteln, zäumen. Der Kontakt zwischen Pferd und Mensch lässt die beiden zu einem Team werden. Jetzt stehen sie dort oben, auf der Lichtung, reiben sich die geschundenen Hintern, strecken und recken sich um die Anspannung im Körper zu lösen. Den Pferden werden die Trensen abgenommen, dann werden sie an einem schattigen Plätzchen angebunden. Jedes erhascht noch ein paar der Grasbüschel, die hier spärlich durch den Waldboden wachsen.
Am Rand der Lichtung öffnet sich der Bewuchs und gibt ein atemberaubendes Panorama frei. Berge und Täler, Felder und Wiesen, Wälder und Buschland. Das Auge könnte stundenlang Neues erfassen. Grün in einem gewaltigen Spektrum. Die jungen Getreidefelder schimmern in einem kräftigen Blaugrün und der Wind zieht in Wellen darüber. Behäbig steht dunkelgrüner Mischwald an den Hängen. Wie mit dem Pinsel eines Malers gezogen, teilt eine Allee die Wiesen. Die Reiter geniessen den Ausblick und machen sich gegenseitig auf Besonderheiten aufmerksam. Entspannung breitet sich aus. Beim Einen oder Anderen kommen die Gedanken an den Abstieg. Die Körper werden wohl gleich wieder die Spannung aufbauen und den Pferden das Kraxeln überlassen. Nach dem Heimritt versorgen die Reiter wieder die Rösser und das Material. Erst wenn es den Tieren gut geht und sie in der Herde friedlich weiden, werden auch die Reiter den Tag in den Knochen spüren. Sie finden sich am grossen Tisch zusammen um Leib und Seele gleich wieder zu regenerieren. Heisser Kaffee und frischer Kuchen, ein frisch gezapftes Bier sind die Sofortmassnahmen. Danach folgen die heisse Dusche, eine leichte Massage und die Schmerzsalbe.
Allen steht ein Lächeln im Gesicht. Morgen früh werden wieder die Pferde von der Weide geholt und gesattelt. Eine Woche aktive Erholung vom Alltag … Reitferien.
Amadeus Stur
Bildrechte: Amadeus Stur
Amadeus Stur, Jahrgang 1964, Randberliner, seit 2011 in der Schweiz.
Ich schreibe aus der Seele und wenn nur ein Leser ein Lächeln auf die Lippen bekommt, hab ich Erfolg.
„Ein bisschen bekloppt ist völlig normal“
Sehr schön geschrieben, richtig entspannend 🙂