Unbeschwert durch blühende Wiesen laufen – es könnte so schön sein… Doch nicht erst, wenn der Frühling wieder da ist, sind die ersten von Heuschnupfensymptomen geplagt. Auch im Januar/Februar fliegen die ersten Pollen. Rund 15 bis 20% aller Deutschen leiden im Lauf ihres Lebens unter Heuschnupfen, und damit wird ihnen der Spaß am Frühling ganz schön verdorben. Atemwegsbeschwerden, juckende und triefende Nasen, brennende Augen – da bleibt man doch lieber zu Hause….
Was im Akutfall hilft
Unter den Atemwegsallergien stellen die Pollenallergien den größten Anteil dar. Doch wie lässt sich der Heuschnupfen behandeln, was kann man tun, um den Frühling doch noch genießen zu können? Anja Schwalfenberg vom Beratungsteam des Deutschen Allergie- und Asthmabunds DAAB rät im medicalpress-Interview zur Behandlung akuter Symptome mit antiallergischen bzw. bei allergischem Asthma mit antiasthmatischen Medikamenten: „Ohne eine entsprechende Behandlung der Symptome besteht die Gefahr, dass sich das Risiko für die Entwicklung eines allergischen Asthmas weiter erhöht bzw. sich schon bestehendes Asthma akut verschlechtert. Auf lange Sicht sollte gegebenenfalls die Therapie mittels Hyposensibilisierung erfolgen.“
Langfristig hilfreich: die Hyposensibilisierung
„Die Behandlung mittels Hyposensibilisierung, auch spezifische Immuntherapie genannt, kann dafür sorgen, dass der Medikamentenverbrauch an antiallergischen Arzneien in vielen Fällen sehr gesenkt werden kann“, erklärt Anja Schwalfenberg. Sie soll das Immunsystem an die allergieauslösenden Substanzen gewöhnen, indem man es immer wieder damit reizt und die Dosierung schrittweise erhöht. Das kann bedeuten, dass ein Patient über mehrere Jahre wöchentlich Spritzen mit Pollen-Allergenen vom Facharzt gesetzt bekommt. Wenn die Höchstdosis des jeweiligen Patienten erreicht wurde, wird sie trotzdem regelmäßig weiter verabreicht, wobei sich Abstände der Spritzen je nach Therapieverfahren von täglich bis sechswöchentlich reichen. Die Erfolgsaussichten sind jedoch gut und bislang ist dies die einzige schulmedizinische Therapie, die versucht die Ursache – nämlich ein überreiztes oder überempfindliches Immunsystem – zu behandeln.
Was ist mit dem Immunsystem los?
Normalerweise erkennt unser Immunsystem Krankheitserreger im Körper und wehrt diese ab. Bei Heuschnupfen, der zur sogenannten Art der Typ-1-Allergie gehört, stufen jedoch bestimmte Zellen des Immunsystems harmlose Pollen als feindlich ein und versuchen, diesen Feind mit IgE-Antikörpern zu beseitigen. Dabei werden entzündungsfördernde Substanzen wie Histamin freigesetzt, die zu Sofortreaktionenen in der Nase und den Augen führen können.
Die Ursache für dieses fehlgeleitete Immunsystem wir noch immer diskutiert. Viele Mediziner unterstützen die „Hygiene-Hypothese“, da in Studien festgestellt wurde, dass das Asthma- und Allergierisiko von Landkindern (vor allem derer, die auf dem Bauernhof aufwachsen) deutlich geringer ist als das von Stadtkindern. Auch die zunehmende Hygiene durch den angestiegenen Verbrauch aggressiver Putzmittel könnte darauf hindeuten, dass Allergien in den letzten Jahrzehnten deutlich zugenommen haben.
Alternative Behandlungsmethoden: den Darm stärken
Heute wissen wir, dass der größte Anteil des Immunsystems im Darm sitzt – daher wird vor allem in der Naturheilkunde auch häufig der Darm bei Allergikern mitbehandelt. Oft ist die Darmflora im Ungleichgewicht und kann nach einer Labor-Untersuchung anhand einer Stuhlprobe gezielt wieder aufgebaut werden, was die Neigung zu Allergien senken kann. Auch über andere naturheilkundliche Verfahren wie Homöopathie oder Akupunktur ist die ursächliche Behandlung von Heuschnupfen möglich.
Tipps für alle Geplagten:
- Versuchen Sie herauszufinden, wann die Pollenbelastung zu Hause am schlimmsten ist und verbringen Sie diese Zeit wenn möglich in einer allergenärmeren Umgebung – zum Beispiel in den Bergen oder am Meer.
- Für Spaziergänge abwarten bis es regnet und danach schnell raus gehen – jetzt ist die Luft klar!
- Halten Sie tagsüber die Fenster geschlossen: Lüften sollten Sie zwischen 6 und 8 Uhr, auf dem Land zwischen 19 Uhr und Mitternacht – denn dann sind am wenigsten Pollen in der Luft.
- Duschen Sie abends und waschen Sie sich dann die Haare – so werden keine Pollen ins Bett geschleppt. Auch Schutzgitter für das Schlafzimmerfenster und der Verzicht auf Pflanzen in den Schlafräumen tragen zu einer gesunden Nachtruhe für Allergiker bei.
Experteninterview 1 zum Thema Heuschnupfen und Allergien
medicalpress: Frau Schwalfenberg, wie viele Personen in Deutschland leiden unter Allergien? Wie hoch ist der Anteil unter den Kindern?
Anja Schwalfenberg: Es gibt in der aktuellen Literatur Hinweise zu einem weiteren Anstieg von Allergien und gleichzeitig ebenfalls auch die Meinung, dass ein Plateau erreicht sein könnte. Beim Asthma ist ein Anstieg zu verzeichnen. Nach aktuellen Untersuchungen soll die Häufigkeit für die Entwicklung einer allergischen Erkrankung während der Lebenszeit bei knapp 30 % liegen. Das Weißbuch Allergie in Deutschland spricht von 20 – 30 Millionen betroffenen Bundesbürgern.
Zum Thema Kinder und Allergien hier ein Zitat aus dem Kinder- und Jugendgesundheitssurvey (KiGGS-Studie 2008): „Von den Kindern und Jugendlichen in Deutschland leiden aktuell fast 9 % an Heuschnupfen, gut 7 % an Neurodermitis und etwas mehr als 3 % an Asthma. Jungen sind häufiger von Heuschnupfen und Asthma betroffen als Mädchen.“
Kinder von Eltern, die unter Allergien leiden, haben ein höheres Risiko, auch eine Allergie zu entwickeln. Aber genauso kann auch ein Kind, dessen Eltern keine Allergien haben, plötzlich eine Allergie entwickeln.
medicalpress: Was sind die häufigsten Allergien?
Anja Schwalfenberg: Bei den Atemwegsallergien stehen Pollenallergien an erster Stelle, gefolgt von Allergien auf Hausstaubmilben, Tiere und Schimmelpilze. Für die Lebenszeitprävalenz werden in einer aktuellen Untersuchung für Heuschnupfen 14,8 %, für Kontaktekzeme 8,1 % und für Nahrungsmittelallergien 4,8 % angegeben.
medicalpress: Wie hoch ist der Heuschnupfen-Anteil unter den Allergien?
Anja Schwalfenberg: Mit der Bezeichnung „Heuschnupfen“ ist umgangssprachlich meist eine allergische Reaktion auf Pflanzenpollen gemeint. In der wissenschaftlichen Literatur wird häufig von „Allergischer Rhinitis“ gesprochen, manchmal aber auch von „Heuschnupfen“ und damit sind dann in der Regel Reaktionen auf Inhalationsallergene gemeint, beispielsweise auch auf Hausstaubmilbenallergene.
Hierzu ein paar aktuelle Zitate aus der Fachliteratur:
„Die Zahl der Kinder, Jugendlichen und Erwachsenen mit Allergien gegen Pol-len ist in Deutschland in den letzten Jahren weiter gestiegen. Statistisch gesehen entwickeln etwa 20 % der deutschen Bevölkerung im Lauf ihres Lebens eine Pollenallergie, das sind rund 15 Mio. Menschen.“
Quelle: Ring J, Bachert C, Bauer CP, Czech W (Hrsg). Weißbuch Allergie in Deutschland. 3. überarb. Aufl. München: Urban & Vogel, 2010.
„In den letzten 10 bis 15 Jahren hat die Prävalenz von Allergien in Deutsch-land deutlich zugenommen. Man schätzt die Zahl der Pollenallergiker auf etwa 12 bis 15 Millionen.“
Quelle: Ring J, Fuchs T, Schultze-Werninghaus G: Weißbuch Allergie in Deutschland. 3. Auflage, Urban&Vogel Medien und Medizin Verlagsgesellschaft, 2010.
„Allergische Erkrankungen nehmen – wie schon in den letzten Jahrzehnten – weiter zu, etwa 20 – 30 Millionen Bundesbürger sollen inzwischen betroffen sein.“
Quelle: Weißbuch Allergie in Deutschland, 3.Auflage, 2010.
medicalpress: Welche Therapie hat sich bei Heuschnupfen bewährt?
Anja Schwalfenberg: Akute Symptome sollten mit antiallergischen bzw. bei allergischem Asthma mit antiasthmatischen Medikamenten behandelt werden. Ohne eine entsprechende Behandlung der Symptome besteht die Gefahr, dass sich das Risiko für die Entwicklung eines allergischen Asthmas weiter erhöht bzw. sich schon bestehendes Asthma akut verschlechtert. Auf lange Sicht sollte gegebenenfalls die Therapie mittels Hyposensibilisierung erfolgen. Bei bestehendem Asthma muss der behandelnde Arzt entscheiden, ob eine Durchführung dieser Therapie möglich ist. Dabei sollte das Asthma sehr gut kontrolliert sein und keine schwerwiegende Asthmaform vorliegen.
medicalpress: Was passiert, wenn eine Pollenallergie nicht behandelt wird?
Anja Schwalfenberg: Bei einer Pollenallergie sollte in jedem Fall eine gute Behandlung der Symptome und gegebenenfalls eine Spezifische Immuntherapie (Hyposensibilisierung) erfolgen. Damit können die Beschwerden gut gelindert und das Risiko für die Entwicklung eines allergischen Asthma bronchiale gesenkt werden. Die Hyposensibilisierung sollte möglichst frühzeitig nach dem Auftreten der Allergie erfolgen, um eine gute Wirksamkeit zu erreichen.
medicalpress: Müssen Allergiker ihr Leben lang Medikamente einnehmen?
Anja Schwalfenberg: Die Behandlung mittels Hyposensibilisierung kann dafür sorgen, dass der Medikamentenverbrauch an antiallergischen Arzneien in vielen Fällen sehr gesenkt werden kann. Karenzmaßnahmen, wie beispielsweise die Nutzung eines allergendichten Encasings bei einer Hausstaubmilbenallergie, können ebenfalls dazu beitragen.
medicalpress: Worunter leiden Kinder am häufigsten?
Anja Schwalfenberg: Bei Kleinkindern beginnt die allergische Karriere häufig mit einer Neurodermitis, einer Hauterkrankung, bei der Hautausschläge und starker Juckreiz auftritt sowie Nahrungsmittelallergien. Viele entwickeln dann auch eine Atemwegsallergie, beispielsweise auf Pollen. Es können im weiteren Verlauf auch noch weitere Allergien oder ein allergisches Asthma entstehen.
medicalpress: Wie können Allergien schon im Kindesalter behandelt werden?
Anja Schwalfenberg: Damit Allergiesymptome gut gelindert werden können und das Risiko für die Entwicklung eines Asthma bronchiale gesenkt wird, raten Ärzte beim Auftreten einer Allergie möglichst schnell die sogenannte Hyposensibilisierung anzuwenden, die auch als Spezifische Immuntherapie bezeichnet wird. Mit dieser Behandlung soll der Patient an seinen Allergieauslöser gewöhnt werden. Um eine gute Linderung zu erreichen und das Risiko für ein Asthma zu senken, muss die Therapie möglichst über drei Jahre durchgeführt werden. Die Behandlung kann ab dem Einschulungsalter erfolgen. Zusätzlich können natürlich antiallergische Medikamente zum Einsatz kommen und – wenn möglich – Karenzmaßnahmen wie beispielsweise die Verwendung eines allergendichten Matratzenüberzuges bei einer Hausstaubmilbenallergie angewendet werden.
Interview mit Prof. Dr. med. Karl-Christian Bergmann,
Leiter der interdisziplinären allergologisch-pneumologischen Ambulanz,
Allergiezentrum der Charité, Klinik für Dermatologie und Allergologie
Prof. Dr. med. Karl-Christian Bergmann: „Die häufigste Allergie ist die allergische Rhinitis durch Pollen, allgemein als Heuschnupfen bekannt. Im Laufe eines Lebens haben in Deutschland nach letzten Erhebungen bei Erwachsenen zwischen 18-79 Jahre beide Geschlechter zusammen in 14,8% einen Heuschnupfen; d.h. rund 12 Millionen Erwachsene. Frauen sind mit 16,5% etwas häufiger betroffen als Männer. Allerdings sind diese Zahlen altersabhängig: am häufigsten sind die Deutschen im Alter von 30-39 J. betroffen, d.h. jeder Fünfte (20,8%). Bei über 70jährigen sind es noch 7,3%.“
medicalpress: Menschen mit Heuschnupfen haben ein höheres Risiko, eine Nahrungsmittelallergie zu entwickeln. Woran liegt das?
Prof. Dr. med. Karl-Christian Bergmann: „Ja, etwa jeder zweite Erwachsene mit einem Heuschnupfen durch Baum-, Gräser- oder Kräuterpollen hat eine Allergie gegen Obst, Gemüse, Gewürze. Es sind Beschwerden im Mund im Sinne von Juckreiz und Schwellungen der Mundschleimhaut oder auch der Zunge, seltener auch als Schnupfen oder Hautschwellung. Dies kommt daher, da im Obst, z.B. im Apfel, die gleichen Allergene sind, die auch – im Fall des Apfels und anderem Kern- und Steinobst – in Birkenpollen sind. Deshalb wird häufig auch von „Kreuzallergie“ gesprochen.“
medicalpress: Welche Therapien gelten bei Heuschnupfen als wirksam? Ist es sinnvoll, sofort Medikamente zu nehmen?
Prof. Dr. med. Karl-Christian Bergmann: „Wenn man einen Heuschnupfen hat, so sollte man:
- wissen, gegen welche Pollen man allergisch ist. Hier hilft ein Allergietest.
- Man sollte schon zu Beginn der Pollensaison anti-allergische Medikamente, meist in Form von Tabletten (sog. Anti-Histaminika), zu Hause haben. In der Saison ist es besser, täglich eine kleine Menge, z. B. 1 Tablette, zu nehmen und nicht erst, wenn die Beschwerden stark sind.
- Man sollte auch mit seinem Arzt besprechen, ob nicht eine Immuntherapie gemacht werde kann.
- Eine große Hilfe ist die kostenlose App „Pollen“, die eine individuelle Pollenflugvorhersage bietet, einen Allergie-Selbst-Test und die Möglichkeit, die Symptome zu speichern, um sie dem Arzt zu zeigen. Die App ist unter www.pollenstiftung.de zu finden.“
Text und Interview: Medicalpress.de
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