Mama hat sich immer um ihn gekümmert. Als Einzelkind hat man es auch besonders schwer in der Entwicklung, meinte Mama. Sie war auch fast die einzige, die seine Talente richtig erkannt hat. Dank ihrer Förderung kam er in den Sturm bei der F-Jugend, schaffte es in die Auswahl des Tennisclub Rot-Gelb und in die Schule für Hochbegabte. Zugegeben, er war und ist sehr sportlich. Eine schnelle Auffassung und ein brillantes Körpergefühl brachten ihn an die Spitze vieler Wettbewerbe.
Dazu kam, dass er als Model gut gebucht war. Die Stunden im Fitnesscenter haben sich auf jeden Fall bezahlt gemacht. Es war schon nicht einfach alle Termine unter den Hut zu bekommen. Aber das ist ein kleines, lösbares Problem. Heutzutage funktioniert ja schon fast alles digital und smart. Damit kannte er sich aus.
Im Gegensatz zu dieser Kaffeemaschine. Die ist ja sowas von analog – grausam. Inzwischen hat er die sechste Kapsel rein getan. Ist doch ganz einfach. Klappe auf, die alte Kapsel fällt in den Sammelbehälter, neue Kapsel positionieren, Klappe zudrücken, auf den Knopf mit der größeren Tasse drücken. Schon als es das zweite Mal nicht funktioniert hat, ist ihm eingefallen, dass der Knopf sonst leuchtet. Der Schalter war schnell gefunden. Jetzt leuchtet der Knopf, aber es kommt kein Kaffee.
Dafür erklingt der „Ritt der Walküren“ von Wagner, Mama ruft an. “Gutenmorgenmeinjungehastdugutgeschlafenundbistduschonaufgeregtwarumsagstdudennnichtssollenwirkommenunddirhelfen?” Muss sie nicht mal atmen?
“Die Kaffeemaschine ist kaputt, es kommt kein Kaffee”, “Ich geb dir Papa”, “Moin, angeschaltet?” “Ich bin nicht blöd, ja”, “Wasser drin?”, “Ach Pa, es hat an der Tür geklingelt. Wir sehen uns nachher”
Wasser ….
Der Tag hat schon so fies angefangen. Das Duschbad war alle und mit den nassen Füssen die neue Flasche holen wäre beinahe schief gegangen, verdammt rutschig im Bad.
Und dann die Cornflakes …
Es geht ja nur darum, dass man morgens was im Magen hat. Der leichte Druck auf die Milchpackung liess etwas in die Schale plumpsen. Stand die Milchpackung eigentlich im Kühlschrank? Der beissende Geruch dazu ätzte glatt die Nasenhaare weg.
Wenigstens die Kaffeemaschine lief jetzt und verbreitete ein leckeres Aroma in der Küche.
Es soll doch heute der schönste Tag in seinem Leben werden. Die Idee ist irgendwie aus einer Bierlaune entstanden und niemand wird zugeben, wer sie hatte.
Vierzig Jahre und immer noch Single. Gut, er kommt zurecht und ist schon vor 5 Jahren in seine eigene Wohnung gezogen. Mama kommt die zwei Strassen von zu Hause auch immer seltener, also fast nur noch, wenn sie die gewaschene Wäsche bringt. Sie räumt auch nicht mehr auf, fast nicht. Für eine andere Frau im Haus hatte er einfach keine Gelegenheit, es hat sich nichts ergeben.
Am Geburtstag kamen natürlich alle wieder darauf zu sprechen. Plötzlich stand eine Idee im Raum. Irgendjemand hatte zuviel Fernsehen konsumiert und erzählte was von professionellen TV-Kupplern. Aus einem Pool von Kandidaten werden Paare zusammengestellt, die sich das erste Mal vor einem Standesbeamten sehen. Das soll klappen?
Was hatte ihn geritten dabei mitzumachen, jetzt war es zu spät.
Fertig. Er steht im feinen Anzug vor der Tür des Standesamtes. Tür auf und rein. Alle sind gekommen. Freunde, Verwandte, Mama und Papa. Die andere Seite, alles fremde Leute. Die Gäste der Braut.
Wenn jetzt die Tür aufgeht und er dann “ja” sagt, wird sich sein gesamtes Leben ändern. Wird er das schaffen, wird sie die Richtige sein, werden sie das schaffen, wird sie sich mit Mama messen können?
Die Tür öffnet sich. Ein Raunen geht durch die Reihen der Gäste …
Hier gehts zu Teil 2: Die Evolution des Mannes 2.0.
Amadeus
Amadeus Stur, Jahrgang 1964, Randberliner, seit 2011 in der Schweiz.
Ich schreibe aus der Seele und wenn nur ein Leser ein Lächeln auf die Lippen bekommt, hab ich Erfolg.
„Ein bisschen bekloppt ist völlig normal“
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