Claudia Rossbacher: „So morde ich mich durch die Steiermark“

Claudia Rossbacher
©BühnenBild/Phillipp Annerer

Die Steirerkrimis von Claudia Rossbacher haben mittlerweile Kultstatus und eine große Fangemeinschaft. Wie die Autorin arbeitet und wovon sie sich inspirieren lässt, wie sie mit Kritik umgeht und was sie antreibt, erzählt die Wahlsteirerin im Interview mit Lesezeichen.rocks.

 

Sie waren nicht immer Autorin. Wie sind Sie zum Schreiben gekommen?

Rossbacher: Unmittelbar bevor ich begonnen habe, Romane zu schreiben, war ich in der Werbung tätig und habe in dem Rahmen viele Texte geschrieben, das Handwerk sozusagen von Grund auf gelernt. Dann hatte ich eine Idee für einen Roman, einen Thriller, der in der Karibik spielt und ich habe mich einfach hingesetzt und geschrieben, um zu schauen ob ich das überhaupt kann. Man weiß es ja vorher nicht, ob man tatsächlich einen Roman mit 300 Seiten füllen kann.

 

Die Idee kam über Nacht?

Rossbacher: Nein, die Idee für das erste Buch, „Hillary’s Blut“, kam nicht über Nacht. Ich war damals mit meinem Mann häufig in der Karibik, in Antigua. Und da hat mir ein befreundeter Arzt, ein Deutscher, erzählt, dass es nicht genügend Leichen für Forschungszwecke in Antigua gibt und, dass Leichen für rund 2000 Dollar vom Festland importiert werden müssen. Das habe ich zum Anlass genommen, Jahre später, meinen ersten Thriller zu schreiben. Dass man gegen Geld Leichenlieferungen erhält, hat meine Phantasie beflügelt und war der Auslöser dafür, dass ich mich hingesetzt habe, eine Geschichte um diesen Kern zu bauen. Geschrieben habe ich den Thriller 2006, habe dann aber länger gebraucht, um einen Verlag zu finden. Die Verlage warten ja nicht gerade auf einen als Anfänger. 2007 im Herbst ist Hillarys Blut erschienen. Ich mag es nach wie vor. Es hat ein bisschen sex and crime, Sonne und Strand. Es ist auch noch als E-Book erhältlich. Ich habe 2009 noch einen zweiten Thriller geschrieben, der auf Mallorca und Berlin spielt, „Drehschluss“. Allerdings sind Durchbruch und Erfolg erst mit den Steirerkrimis gekommen.

 

Haben Sie aus Erfolgsgründen entschieden, mit den Steirerkrimis etwas anderes zu schreiben?

Rossbacher: Nein, ich habe einfach immer weitergemacht. Du weißt ja vorher nicht, welche Geschichten Erfolg bringen. Ich habe immer das geschrieben, was mir gerade unter den Nägeln gebrannt hat oder was ich schreiben wollte. Die Geschichte von Steirerblut, also vom ersten Steirerkrimi, hat wirklich so begonnen, dass mich die Muse mitten in der Nacht geküsst hat. Da ist mir eine Frau durch den Kopf gelaufen, in einem Wald, die versucht ihren Mörder zu entkommen, was ihr natürlich nicht gelungen ist, sonst wäre ja die Geschichte schon aus. Und dann habe ich mir überlegt, welcher Wald, wo bin ich hier? Und dachte zuerst an den Wienerwald. Aber der war mir zu nahe an Wien.

 

Wieso zu nahe?

Rossbacher: Weil ich keinen Wienkrimi schreiben wollte. Ich wollte wirklich einen Landkrimi in der Provinz schreiben, fernab der Zivilisation. Und dann habe ich mich an meine Kindheit erinnert, daran dass ich als Volksschulkind oft in die Steiermark geschickt worden bin, ins Ferienlager am Reinischkogel in der Weststeiermark. Aber das war mir noch zu nahe an Graz. Also habe ich mir eine Region gesucht, die möglichst weit weg auch von der Stadt ist, damit die Ermittlerin Sandra Mohr gezwungen war, im Heimatort zu bleiben und sich mit ihrer Vergangenheit und Mutter auseinanderzusetzen, und nicht in die Stadt flüchten kann. Schließlich habe ich mich dann für die Steirische Krakau entschieden.

 

Die Romanfigur Sandra Mohr muss sich mit ihrer Mutter auseinandersetzen. Gibt es da Parallelen zu Ihrem Leben?

Claudia Rossbacher
©BühnenBild/Phillipp Annerer

Rossbacher: Nein, Gott sei Dank gar nicht. Ich habe zwar auch eine Mutter und hatte meine Probleme mit ihr – die hat jeder denke ich, jedenfalls aber andere als Sandra Mohr. Ich komme auch nicht vom Land, sondern bin in der Stadt aufgewachsen. Sandra Mohr hat mit mir rein gar nichts zu tun. Ich hatte zum Glück nicht so eine seltsame Mutter, wie ich sie Sandra Mohr angetan habe.

 

Und wie entwickeln Sie so einen Charakter?

Rossbacher: Ich kann das schwer erklären, weil die Charaktere in dem Fall einfach in meinem Kopf waren. Ich bin damals Gott sei Dank aufgestanden, als mir die Idee in den Kopf kam, und hab den Prolog niedergeschrieben, sonst wäre es nie zu den Steirerkrimis gekommen. Dann war ich schon mitten in der Szene, in der Sascha Bergmann, der neue Chef, der Wiener, der Sandra Mohr vor die Nase gesetzt wurde, und Sandra Mohr im Büro sitzen. Sie eine Spaßbremse, die sich ein wenig selbst im Weg steht, er ein Hallodri, der sie ein bisschen aufzieht.

 

Haben Sie ihre Geschichten von Anfang bis Ende im Kopf wenn Sie zu schreiben beginnen?

Rossbacher: Nein, gar nicht. Was ich habe, ist eine Leiche und eine Region. Ich bemühe mich immer, die Leiche der Region anzupassen. Das heißt, wenn es um Landwirtschaft geht, haben wir zum Beispiel eine Leiche als Vogelscheuche am Acker stehen und wenn der Krimi an einem Pilgerweg spielt, wird die Leiche an einem Baum aufgehängt, weil es im Mittelalter so ein Hinrichtungsritual gegeben hat. So morde ich mich durch die Steiermark und am Anfang gibt es diese Leiche und die beiden Ermittler und dann überlege ich mir, was passiert ist.
Wer das war und die Hintergründe kommen intuitiv beim Schreiben. Natürlich kommt dann ein Punkt, wo du die Fäden, die du ausgeworfen hast wieder zusammenführen und überlegen musst, wo führt das eigentlich hin. Das ist ein ziemlich anstrengender Prozess, weil ich eben nicht vorher weiß, was alles passieren wird. Ich habe Kollegen, die kennen den Plot vorher ganz genau, kennen alle Figuren und wissen genau, was in jedem Kapitel passiert. Das kann ich erstens nicht, und zweitens ist es auch nicht spannend, weil es passiert so viel beim Schreiben, das mich selbst überrascht und dann in Folge natürlich auch die Leser. Deshalb werde ich immer etwas sauer, wenn ein selbsternannter Kritiker sagt, er hat von Anfang an gewusst, wer der Mörder ist. Das kann gar nicht sein, weil das habe ich selber nicht gewusst. Beim achten Band wusste ich bis 50 Seiten vor Schluss nicht, wer der Mörder ist. Da gab es noch mehrere Optionen.

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Haben Sie Vorbilder beim Schreiben?

Rossbacher: Nein, eigentlich nicht. Es gibt viele Kollegen, die ich gerne lese. Das müssen auch keine Krimis sein. Da gibt es aus sämtlichen Sprachräumen und Genres Autoren, die ich gerne lese. Aber niemanden, den ich nacheifere oder mir als Vorbild nehme. Aber es gibt auch sehr erfolgreiche Autoren die mir persönlich gar nicht gefallen. Ich mag es zum Beispiel nicht, wenn die Sprache zu sehr ausschweift und die Handlung nicht vorangeht. Ich bin zwar schon sprachgetrieben, aber weniger um der Sprache willens, sondern mehr für die Handlung.

 

Was macht einen guten Krimi aus?

Rossbacher: Jede gute Geschichte lebt von den Figuren. Figuren, die plastisch sind, nicht schwarz oder weiß sind, die echt sind, Ecken und Kanten haben, nicht nur gut und böse sind, mit denen man sich zum Teil identifizieren kann. Darin liegt auch mein Erfolg, in den beiden Figuren. Die einen lieben Sandra Mohr und finden Sascha Bergmann schrecklich und umgekehrt. So ist für jeden ein Identifikationspotenzial dabei. Was noch dazu kommt ist, dass ich mir bei der Recherche extrem viel Mühe gebe, was die Region anbelangt. Ich suche mir die Themen, die genau in dieser Region für die Leute relevant sind. Es ist ein Unterschied, ob ich einen Krimi im Vulkanland ansiedele, wo es um Schweinezucht und Landwirtschaft und Wein geht, oder ob ich eine Geschichte in einer Bergregion mit Wintersport, wie Schladming, ansiedle.

 

Was ist an Ihren Romanen  typisch Claudia Rossbacher?

Rossbacher: Dass ich die ganze Mentalität, das Land samt seiner Leute und Themen in die Bücher packe und dadurch immer sehr authentisch wirke. Dabei gibt es auch immer ein oder zwei Charaktere, die besonders authentisch sind und im Dialekt sprechen oder typisch regionale Ausdrücke verwenden. Also das Gespür für die Leute und die Region, würde ich sagen, ist typisch Rossbacher. Es ist nicht egal, wo der Roman spielt. Das merkt das Publikum. Das Zünglein an der Waage ist immer, ob es die Einheimischen auch lesen. Wenn die das Buch lesen, dann weiß ich, dass es passt. Das ist mir bis jetzt anscheinend ganz gut gelungen. Bei der Recherche gebe ich mir nicht nur am Anfang Mühe, sondern ich gehe immer am Ende noch einmal auf Factfinding-Mission und suche Menschen, die meine noch offenen Fragen beantworten können. Ich habe zum Beispiel einen Gerichtsmediziner in Graz, den ich immer fragen kann. Gerade die Medizin liegt mir am Herzen, da ich eigentlich Medizin studieren wollte. Mir sind Realitätstreue und richtig recherchierte Fakten ganz wichtig. Nichts ist schlimmer, als wenn zum Beispiel Autoren Pistole und Revolver verwechseln oder ähnliche Fehler.

 

Wie wichtig ist Ihnen Kritik? Nehmen Sie sich diese zu Herzen?


Rossbacher: Mir ist die Kritik von Lesern am wichtigsten, weil ich für die Leser schreibe und nicht für die Kritiker. Ich habe mich am Anfang über viele Kritiker geärgert, weil sie meine Intuition der simplen Sprache nicht verstanden haben. Das haben sie mir zum Vorwurf gemacht. Heute ignorieren mich die meisten Kritiker. Von den Lesern kommen Kritiken zum Beispiel über Online-Plattformen und von Bloggern. Da kann man mit den Lesern in Kontakt treten und mit ihnen diskutieren. Das mache ich immer sehr gerne. Besonders motivierend sind Lesungen, wo die Leute auf einen zukommen. Die Leser sind die größte Motivation. Aber auch, dass von meinen Büchern schon zwei verfilmt wurden, motiviert extrem.

Über Claudia Rossbacher:

Claudia Rossbacher
©BühnenBild/Phillipp Annerer

Claudia Rossbacher, geboren in Wien, zog es nach ihrem Tourismusmanagementstudium in die Modemetropolen der Welt, wo sie als Model im Scheinwerferlicht stand. Danach war sie Texterin, später Kreativdirektorin in internationalen Werbeagenturen. Seit 2006 arbeitet sie als freie Schriftstellerin vorwiegend krimineller Literatur in Wien und der Steiermark. Weitere Infos auf der Seite der Autorin.

 

Die Steirerkrimis:

Von der österreichischen Bestseller-Krimiserie mit Sandra Mohr und Sascha Bergmann vom LKA Steiermark sind bislang sieben Bände im Gmeiner-Verlag erschienen (auch als E-Books):
Steirerblut – Sandra Mohrs erster Fall
Steirerherz – Sandra Mohrs zweiter Fall
Steirerkind – Sandra Mohrs dritter Fall
Steirerkreuz – Sandra Mohrs vierter Fall
Steirerland – Sandra Mohrs fünfter Fall
Steirernacht – Sandra Mohrs sechster Fall
Steirerpakt – Sandra Mohrs siebter Fall

„Steirerblut“ und „Steirerkind“ wurden zudem von Wolfgang Murnberger als Landkrimis für ORF und ARD verfilmt.

Steirerquell – Sandra Mohrs achter Fall erscheint am 7.2.2018

Kurzinhalt:
Eine Handy-Nachricht lässt LKA-Ermittlerin Sandra Mohr das Blut in den Adern gefrieren. Ihre beste Freundin fleht panisch um Hilfe, ehe die Verbindung abreißt. Sandra begibt sich auf die Suche nach Andrea, die das Wochenende in einem Wellness-Hotel im Thermenland verbringen wollte. Aber wo genau? Und mit wem? Was ist Andrea zugestoßen? Ist sie untergetaucht? Oder wurde ihr die Vorliebe für verheiratete Männer zum Verhängnis? Als eine verkohlte Frauenleiche auftaucht, muss Sandra das Schlimmste befürchten …

 

 

Mehr Buchtipps finden Sie hier.

 

Karin Bornett

 

 

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