Es wird Herbst. Unzählige Farben lösen in der Natur die eintönigen Grüntöne ab, die uns den ganzen Sommer umgeben haben. Auch die Felder sind reif für die Ernte und in der Landwirtschaft herrscht Konjunktur. Ich freue mich auf warme Tage mit ausgiebigen Wanderungen in den nahen Bergen. Der Wandel in der Natur zeigt uns gerade jetzt auf, wie die Zeit vergeht.
Haben wir eben noch täglich in Badehose und Bikini am Strand gelegen, müssen wir uns nun wie eine Zwiebel kleiden, um dem Tagesklima etwas entgegen zu setzen. Da zieht man morgens schon lange Hosen und eine Jacke an und im Auto leuchtet die Kontrollleuchte für die Sitzheizung. Nachher versucht die Sonne ihr Bestes und nach und nach fallen die Schichten der textilen Körperverhüllung ab. Wohl dem, der mit dem Zipper die Hosenbeine kürzen kann.
Man merkt förmlich den Klimawandel, jeder Herbst wird wärmer. Vielleicht ist aber auch die Kleine Eiszeit immer noch auf dem Rückzug und es wird nicht wärmer, sondern normaler. Naja, eigentlich geht das mit dem Klima immer mal hoch und runter, halt so über ein paar Jahrhunderte hinweg. Für unser kurzfristiges Dasein als Veränderung also eher nicht zu erfassen.
Und so empfinde ich die aktuellen Diskussionen zum Klimawandel eher als Comedyprogramm und lächle dann mal still vor mich hin.
Als kleiner Junge habe ich noch die Milch im Milchladen geholt. In einer Kleinstadt vor den Toren Berlins aufgewachsen, bin ich als 6-jähriger fast 750 m, allein und an der Strasse, durch die Stadt gegangen. In der Hand die blaue Kanne mit dem weissen Deckel. Da passte bestimmt 1,5 Liter Milch rein. Meine Mutter wird heute noch froh sein, dass ich das mit dem fehlerfreien Kannen schwingen damals noch nicht wusste. Wenn man die Kanne schnell genug im vertikalen Kreis schleudert, kommt nix raus.
Kurze Zeit später gab es dann die Milch in Pfandflaschen, da hab ich das mit dem Schleudern gar nicht mehr probiert.
Das mit den Pfandflaschen hat mich jedoch lange begleitet. Dass es ein Beitrag zum Umweltschutz und zum schonenden Umgang mit Ressourcen war, interessierte mich als Kind reichlich wenig. Es war eher normal das Taschengeld damit aufzubessern, indem man Altstoffe sammelte und zur Annahmestelle brachte. Was das nun wieder ist? Alte Zeitungen und Zeitschriften, Flaschen, Gläser, Altmetalle, sogar Lumpen wurden, wenn auch für wenig Geld, aufgekauft.
Die Umwelt war für uns das, was uns umgab und was wir für eine lebendige Kindheit nutzten. “Wenn die Strassenlaternen angehen kommt ihr aber zum Abendbrot”, “Geht nicht aufs Eis, das trägt noch nicht” (wir sind gegangen und manchmal hat es gehalten), solche Sprüche schickte uns Mutti hinterher, in dem Wissen, dass wir wahrscheinlich nichts als Unfug anstellten.
Vielleicht ein paar Pflichten, die aber meiner Entwicklung doch nicht geschadet haben. Schnell die Pfandflaschen wegbringen und dann noch ein Brot mitbringen. Die Flaschen standen schon im Netz parat. Das Netz nutze ich heute noch.
Heute aber eher um den Griff zur Plastiktüte zu vermeiden. Es ist nicht einfach, das unbeschwerte Gefühl der Kindheit zurück zu holen. Aber ich probier es.
Bloss nicht erwachsen werden. Ich kann es mir nicht vorstellen, in der Mittagspause billiges, importiertes Fleisch zu essen, das bereits eine Flugreise oder eine gekühlte Seefahrt hinter sich hat, um danach die regionalen Bauern so zu reglementieren, dass sie nicht mehr wirtschaftlich für unsere Ernährung sorgen können, oder mit dem Blick auf mein Konto, das gerade meine Bonuszahlungen empfangen hat, unzählige Mitarbeiter, aus betriebswirtschaftlichen Gründen, zu entlassen.
Die Aufzählung, mit Sachen die ich nicht möchte, könnte ich so weiterführen. Aber ich will weiter morgens in den Spiegel schauen und dann den alten Mann rasieren und entfalten können.
Bestimmt werde ich auch weiterhin etwas für die Umwelt tun, ich lebe schliesslich in ihr und möchte das auch noch ein Weilchen so beibehalten. Wenn jeder ein Bisschen tut, wird Viel daraus. Da braucht es auch keine wissenschaftlichen Erörterungen. Gesunder Menschenverstand und ein paar Dinge wie in Kindertagen machen, reichen da schon.
Vielleicht schaffen wir “Alten” es dann auch noch, den nachfolgenden Generationen ein gewisses Umweltverständnis beizubringen und auch Zusammenhänge zu erklären.
Wenn die Menschheit es schaffen würde den CO2-Ausstoss zu minimieren, so gegen Null, wovon würden die Pflanzen dann, den, für uns, dringend benötigten Sauerstoff produzieren? Und nein, den kann man dann auch nicht online bestellen. Gut, zu krass.
Aber Kinder können nur das wissen, was sie lernen und erfahren.
Ach ja, es waren die römischen Kaiser, die die Methoden, das Volk vom Denken abzuhalten, perfektioniert haben. “Gebt dem Volk Brot und veranstaltet Spiele.” Heutzutage reicht es schon, ein kleines Mädchen auf eine Bühne zu heben, um für Beschäftigung zu sorgen und den Blick von denen abzulenken, die doch eher Mittel und Macht haben, um positive Veränderungen einzuleiten.
Herbst. Zeit für die Ernte. Zeit für Erinnerungen.
Amadeus Stur
Amadeus Stur, Jahrgang 1964, Randberliner, seit 2011 in der Schweiz.
Ich schreibe aus der Seele und wenn nur ein Leser ein Lächeln auf die Lippen bekommt, hab ich Erfolg.
„Ein bisschen bekloppt ist völlig normal“
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