Steinzeit
Es ist schon eine Weile her, und wenn ich hier eine Weile schreibe, meine ich so ca. 40.000 Jahre. Vierzigtausend und ein paar Zerquetschte. Da wollen wir es mal nicht auf Monate, Quartale oder Minuten begrenzen. Damals nahm man es mit der Zeitrechnung nicht so genau und auch den Kalender hatte noch niemand erfunden.
Da sass also jemand ziemlich einsam in einer Höhle. Das Tagwerk war vollbracht, für Nachtarbeit mangelte es draussen an Beleuchtung, der Mond war gerade am Zunehmen, bildete aber nur eine Sichel dort oben am Himmelszelt.
Auf keinen Fall genug für eine erfolgreiche Jagd. Eher finster genug, um über eine Wurzel zu stolpern, und dann, infolge Sturzverletzungen, noch für die Nahrungsbeschaffung, sowohl am Tag als auch in der Nacht, auszufallen.
Das Sitzen am Feuer, auf dem nackten Boden, höchstens auf einem kahlen Stein oder alten Baumstamm, konnte schon damals heftig in die Knochen gehen. Es gab nicht so viele Bekleidungshersteller in der Umgebung und das leichte Sommerfell bedeckte kaum die Knie. Ein leichter Herbstwind spielte im Tal mit den ersten, herabgefallenen Blättern.
Auch am Platz vor dem Feuer, das durch den Zug aufflackerte, machte die Brise nicht halt.
Und die Zugluft weckte ein dringendes Bedürfnis, welchem außerhalb der Höhle nachgegangen werden sollte.
Der Schmerz im Knie war auszuhalten, aber beim Aufrichten war dann die Höhlendecke niedriger als erwartet.
Der stumpfe Aufprall des Kopfes am ziemlich harten Stein ließ einen unerwarteten Sternenhagel in den Augen aufblitzen. Die gerade erst durchgestreckten Knie klappten zusammen wie ein, erst in ferner Zukunft zu erfindendes, Taschenmesser.
Im Stand eines Tieres fand er sich am Boden wieder, auf allen Vieren.
Die Hände steckten in den sorgsam zur Trocknung ausgebreiteten, den ganzen Vormittag gesammelten Beeren.
Eine letzte gelbe Flamme malte einen bedrohlichen Schatten an die Wand. Zeit, um Holz nachzulegen. Das andere Bedürfnis sollte noch etwas warten können.
Behutsam tastete er sich zu dem in einer Höhlenecke aufgestapelten Brennmaterial.
Der Weg mit dem Arm voll Holz war einfach. Nur in gerader Linie auf das kleine Glutnest zu, um die wärmende Lichtquelle zu füttern.
Zeichen an der Wand
Im leichten Schein sah er die Zeichen zum ersten Mal. Verwundert starrte er auf die Flecken. Nein, sie waren vorher nie dort gewesen.
Der Blick auf seine Hände brachte Erstaunen und Erkenntnis. Es waren die Abdrücke dieser, seiner eigenen Hände. Trotzdem, nie zuvor hatte er so etwas schon gesehen!
Noch bevor ihn der Schlaf übermannte und der Kopfschmerz das zuliess, hatte er den Entschluss gefasst, allen seinen Nachbarn seine Kunst zu zeigen.
So war denn doch, lange vor der ersten Notwendigkeit sich mit Hilfe von Schriftzeichen zu verständigen, die erste Plattform entstanden, die Bilder nutzte, um soziale Kontakte zu knüpfen.
Abgesehen von ein paar Jahrhunderten, in denen wir uns fast ausschließlich mit Schriftzeichen verständigt haben, Bücher und Zeitschriften lasen, Briefe und Quittungen schrieben, ist also der Austausch und die gemeinsame Betrachtung von Bildern das erste soziale Netzwerk.
Amadeus
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Amadeus Stur, Jahrgang 1964, Randberliner, seit 2011 in der Schweiz.
Ich schreibe aus der Seele und wenn nur ein Leser ein Lächeln auf die Lippen bekommt, hab ich Erfolg.
„Ein bisschen bekloppt ist völlig normal“
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