Der Traum von Einigkeit, Recht und Freiheit

Wie wir wurden, was wir sind – Eine Liebeserklärung an die EU

Wenn man derzeit über Europa spricht, hört man wenig von Liebe und viel von Unsicherheit und Ängsten und Hass. Die Europawahl ist vorbei und auf allen Kanälen werden Statistiken bemüht. Wie haben die Deutschen gewählt? Wie die Franzosen? Was macht der Osten, der Westen, der Süden? Wie wählten Frauen gegenüber Männern? Was hätten die Jungen gewählt, wenn sie alleine entscheiden hätten können, und was die Alten? Ich möchte einmal anders an die Sache herangehen.

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Die EU, das sind doch die, die bestimmen, wie krumm eine Banane sein muss und ob Gurken überhaupt eine Krümmung aufweisen dürfen. Sonst passiert da doch nicht viel, oder? Jahrzehnte lang hatte man zumindest hierzulande den Eindruck, dass vor allem ausrangierte Politiker, die man hier in keinem Amt mehr haben wollte, nach Brüssel und Straßburg „befördert“ wurden. Entsprechend niedrig viel üblicherweise auch die Wahlbeteiligung an der Europa-Wahl aus. Dabei verdanken wir der EU eine Menge. Zeit sich ein wenig intensiver mit diesem Konstrukt „Europa“ zu beschäftigen!

Wo kommt dieses Europa eigentlich her?

Europa bezeichnet zwei Dinge: einmal den geographischen Kontinent Europa, zum anderen die Europäische Union (EU). Geographisch gesehen erstreckt sich Europa von Atlantik im Westen bis zum Ural, einem Gebirgszug in Russland, und vom Mittelmeer im Süden bis zum Nordmeer in Skandinavien. Teile der Türkei gehören geographisch genauso zu Europa, wie ein beachtlicher Teil Russlands oder die vielen kleinen Nachfolgestaaten Jugoslawiens. 46 souveräne Staaten gehören zum Erdteil Europa und der Kosovo, über dessen Eigenständigkeit man immer noch nicht ganz einig ist.

Das politische Gebilde der EU ist ein Teil des geographischen Europas, jedoch gehören nicht alle Länder die theoretisch in Europa liegen auch politisch zur EU. Über dieses politische Europa möchte ich ein paar grundlegende Fakten darstellen, vielleicht hilft es dem einen oder der anderen dabei, besser zu verstehen, was gerade auf dem politischen Parkett los ist.

Die Anfänge – Der Traum von Einigkeit, Recht und Freiheit

Wenn man über Kriege in Europa spricht, denkt man sofort an die beiden verheerenden Weltkriege des 20. Jahrhunderts. Doch schon davor war Europa ein äußerst unfriedlicher Landstrich. Napoleon überzog weite Teile Europas im 19. Jahrhundert mit Kriegen, damals existierten Länder und Grenzen, die wir heute kennen, noch überhaupt nicht und jeder Herrscher kochte in seinem kleinen Hoheitsgebiet sein eigenes politisches Süppchen.

Spätestens nach dem Niedergang des Dritten Reiches und der Nationalsozialisten in Europa 1945 hatten die Europäer, die sich selbst damals noch gar nicht als solche verstanden, endgültig die Schnauze voll vom Gemetzel und vom Krieg. Sie sehnten sich nach Einigkeit, nach verlässlichen Gesetzen und nach der Freiheit, ohne Angst leben zu können. Auch die alliierten Siegermächte Großbritannien, Frankreich, die USA und die Sowjetunion wünschten sich, dass in Europa endlich Ruhe einkehre.

Eine Idee nimmt Gestalt an – Die Verträge von Rom

Wichtigster Zweck des Völkerbündnisses, das den Ursprung der heutigen EU bildete, war also die Friedenssicherung. Und wie, überlegte man sich, könnte der Frieden zwischen zwei Nationen eher Bestand haben, als wenn sie gegenseitig wirtschaftlich voneinander und damit von einer friedlichen Zusammenarbeit abhingen?

1951 gründeten die ehemaligen erbitterten Feinde Deutschland und Frankreich, zusammen mit Italien und den Benelux-Staaten (Belgien, Niederlande und Luxemburg) die Europäische Gemeinschaft für Kohle und Stahl, kurz EGKS oder Montanunion. Kohle und Stahl waren die wichtigsten Ressourcen der beteiligten Länder und damit unverzichtbar für ihre Existenz. 1957 wurde daraus die Europäische Wirtschaftsgemeinschaft (EWG), Ziel dieser Vereinigung war die Schaffung eines Marktes für Waren, Dienstleistungen, Kapital und Arbeitskräfte, die sich frei zwischen den Mitgliedstaaten bewegen können sollten. Außerdem gründeten sie auch Euratom, als Gemeinschaft zur friedlichen Nutzung von Atomenergie. Nach ihrem Unterzeichnungsort heißen diese Bündnisse Römische Verträge.

Wachstum und Erweiterung – Der Vertrag von Maastricht

Sich auf gemeinsame Ziele und Maßnahmen zu einigen, fiel schon den sechs Gründerstaaten der EWG nicht leicht. Noch komplexer wurde es, als in den 70er und 80er Jahren immer mehr Länder der Gemeinschaft beitraten, die alle in ihrer Eigenheit ernst genommen werden wollten.

Als 1989/1990 der Ostblock zusammenbrach und der Eiserne Vorhang fiel, der Ost und West nicht nur in Deutschland über Jahrzehnte strikt voneinander getrennt hatte, wurde es endgültig Zeit für eine Reform. Im Vertrag von Maastricht einigten sich 1993 die elf Mitgliedsstaaten auf eine umfassende Zusammenarbeit in den Bereichen Wirtschaft, Außen- und Sicherheitspolitik, sowie Innenpolitik und Justiz. Immer noch lautete der Grundsatz: Gemeinsame Wirtschaft für Stabilität, Sicherheit und Frieden in Europa. Aus der EWG wurde die Europäische Gemeinschaft (EG) und schließlich die EU.

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Jetzt wird’s wirklich bunt – EURO und EU-Osterweiterung

2002 führten zwölf der damals fünfzehn EU-Mitglieder die gemeinsame Währung EURO ein. Im Euro-Raum galt: freier Verkehr von Waren, Dienstleistungen und Arbeitskräften, keine Grenzen (Schengener Abkommen) und Zölle mehr und eine gemeinsame Währung. 1789 zum Zeitpunkt der Französischen Revolution passierte ein Händler, der seine Waren von Paris nach Berlin bringen wollte, rund zehn Grenzposten, zahlte zehnmal Zölle. Wenn er überhaupt jemals in Berlin angekommen wäre, wären seine Waren so teuer geworden, dass niemand sie ihm mehr hätte abkaufen können. 200 Jahre später verkehrten Waren und Händler im Herzen Europas ungehindert. Ein Verdienst der europäischen Idee!

Einen weiteren großen Schritt stellte die Erweiterung nach Osten dar. Nach dem Fall der Mauer wurden die Bundesrepublik Deutschland und die DDR wiedervereinigt, 2004 traten zehn ehemalige Sowjetstaaten der EU bei. 2012 kam als bisher jüngstes EU-Mitglied Kroatien hinzu. Die EU umfasst seitdem achtundzwanzig Mitgliedsstaaten, von den flächenmäßig größten Ländern wie Frankreich, Schweden und Deutschland, bis hin zu kleinen Inselstaaten wie Zypern oder Malta. 80 Mio. Deutsche, 67 Mio. Franzosen, aber auch 400.000 Malteser und 600.000 Luxemburger bezeichnen sich als Europäer.

Wie es weitergeht, liegt in unsrer Hand!

Mit dem Austritt Großbritanniens würde die EU zum ersten Mal seit ihrer Gründung schrumpfen, statt zu wachsen. Nach knapp 70 Jahren zähen Ringens, Verhandelns, Streitens, Sich-Einigen und Kompromisse-schließen würde erstmals die Nationalstaatlichkeit über die Gemeinschaft siegen. Ich schreibe bewusst „würde“, denn noch sind die Briten nicht weg.

Die EU ist eine Patchwork-Familie aus vielen einzelnen Mitgliedern, die alle ihren eigenen Kopf, ihren Charakter, ihre Vorlieben und auch ihre Schwächen haben. Es ist kein festes Gebilde, das man wie eine Trophäe in den Schrank stellen und gelegentlich abstauben kann. Sie muss immer wieder neu verhandelt, reformiert, justiert und vor allem gelebt werden. Sie muss sich absichern und gleichzeitig nach außen öffnen, um ihren Wohlstand für alle erhalten zu können. Sie darf nicht statisch werden, sondern muss sich flexibel auf die Gegebenheiten anpassen, die auf sie zukommen. Sonst stirbt irgendwann der Traum von Einigkeit, von Recht und von Freiheit. Das wäre auch das Ende der stabilen, friedvollen Ordnung, die wir schon in der dritten Generation erleben dürfen und die wahrlich nicht selbstverständlich sind!

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3 Kommentare

  1. Ein interessanter und spannender Beitrag ist dir hier gelungen, liebe Veronika.
    Gerade geschichtliche Zusammenhänge interessieren mich immer sehr.
    Und es ist genauso, wie du es schreibst. Wir haben es in der Hand, wie es weitergehen kann und wird.

    Liebe Grüße,
    Mo

  2. Hallo liebe Veronika! Ich bin beeindruckt. So viele Infos, so einen tollen Schreibstil – ehrlich und gerade raus und ein wirklich toller Beitrag! In meiner Heimatstadt wird heute der Karlspreis verliehen – für Errungenschaften und Dinge, die Politiker für Europa tun und die dann für ihr Tun den Preis erhalten. Ich erinnere mich noch an so viele Male, in denen Menschen den Preis bekamen (wie letztes Jahr auch Macron), die – meiner Meinung nach – keinen Preis verdient hätte. Macron liefert Brennstäbe zu den maroden AKWs in unserer Nähe (Tiahge und Doel) und Brunstrom (oder wie die Norwegerin hieß) ließ Wale abschlachten. Wir protestieren hier dann regelmässig, denn es ist echt fast schon unverschämt manchmal. Das nur mein Senf! Eine WOhltat Deinen Beitrag zu lesen!
    Danke dafür! Sirit

    • Liebe Sirit,
      vielen Dank für dein Feedback!
      Es freut mich, wenn gerade so ein Text Anerkennung erfährt. Wir wissen es viel zu wenig zu schätzen, wie gut es uns geht und in welcher Sicherheit wir leben dürfen. Nicht einmal alle Politiker, die auf dem Papier diesem Europa dienen, tun das mit der nötigen Demut und Verantwortung. Da gebe ich Dir vollkommen recht!

      LG
      Veronika

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