Frau, Mann, Divers oder gar eine Gruppe von Streetart-Künstlern? Niemand weiß genau, wer oder was Bansky ist, denn „der“ Künstler hält seine Identität geheim. Der Bildband „Bansky-Provokation“ vom Midas Verlag stellt sein Schaffen vor und analysiert sehr treffend und unterhaltsam die Aussagen seiner Werke.
Zunächst mal wird in dieser Rezension davon ausgegangen, dass Bansky ein Mann ist, da er in seinem Instagram-Account so agiert – z.B. schrieb er, als er in Corona-Zeiten sein Zuhause mit Bildnissen von Ratten verschönerte: „My wife hates it, when I work from home.“
Das Faszinosum Bansky beruht natürlich auch darauf, dass er komplett anonym bleibt. Er will nicht berühmt sein als Person, er pfeift auf den Applaus der Kunstszene, sondern will weiter im Verborgenen arbeiten.
Gerade wegen dieser Ignoranz ist die Kunstszene aber seit Jahrzehnten ganz aus dem Häuschen, feiert ihren unkooperativen Star und der Wert seiner Werke ist ins Unermessliche gestiegen. Mal ehrlich, das wäre vielleicht nicht so, hätte Bansky für uns alle ein Gesicht und ein vorstellbares Leben.
So aber bleibt seine Figur ein Mysterium, und das finden wir natürlich alle total spannend. Und genauso spannend sind auch seine Werke und ist dieser Bildband mit wirklich hervorragenden Textanalysen seiner Werke.
Xavier Tapies, der Autor der Texte, ist ein Experte auf dem Feld der Street-Art und kann uns genau den Unterschied zwischen Bansky und anderen Größen der Szene schildern. Sehr humorvoll, spitzzüngig und hintergründig sind seine leicht lesbaren Interpretationen.
Und so kann man wirklich sagen, dass dieser Bildband perfekt ist für alle, die sich bislang nicht groß mit Bansky beschäftigt haben, sich aber gerne von dieser neuen Kunstwelt verzaubern lassen wollen. Denn das gelingt dem Autor tatsächlich sehr gut.
Auch bei den Werken Banskys ist es wie bei vielen Kunstwerken: Als Laie steht man etwas ratlos davor und fragt sich, was das nun soll. Nur, wer sich intensiver mit dem Künstler, seinen bisherigen Aussagen und seinem Stil auseinandergesetzt hat, kann neuen oder beiläufigen Betrachtern die Intention erklären.
Aufbau des Bildbandes
Der Bildband ist in 7, chronologisch nach Jahreszahlen sortierte Kapitel, unterteilt. Wir sehen jeweils auf einer Weltkarte, wo sich Bansky in der entsprechenden Dekade aufgehalten und seine Kunstwerke hinterlassen hat.
Ebenso kann man direkt einsehen, welche Werke noch vorhanden sind, welche zerstört oder verkauft oder konserviert wurden. Zum Glück gibt es Fotos, denn so sind nahezu alle Werke erhalten geblieben.
Die wichtigsten Werke sollten wir hier auch einmal nennen:
- Das Mädchen mit dem wegfliegenden Ballon (2002)
- Der Vermummte, der einen Blumenstrauß wirft (2003)
- Das Zimmermädchen, das den Dreck unter den Teppich kehrt (2006)
- Das britische Affenparlament (2009)
- Die Europaflagge, aus der ein Stern herausgemeißelt wird (2017)
- Steve Jobs als syrischer Flüchtling (2015)
- Das versteigerte und anschließend per Automatik zur Hälfte geschredderte Ballonmädchen (2017)
Die Themen, denen sich Bansky widmet sind absolut vielfältig und immer zeitaktuell: Überwachung, Digitalisierung, Autoritäten, Mauerbau in der Westbank oder den USA, Finanzkrisen, Klimakrise, Migration, Konsumdenken, Brexit, Rassismus, Presse, Gesellschaft allgemein, Umweltschutz.
Im Jahr 2000 begann Banskys Reise an die Spitze der erfolgreichsten Künstler der Gegenwart. Über Nacht erschienen seine Bilder an Hauswänden in Bristol, später in London, Los Angeles, Berlin, Paris, Jerusalem.
Sein Stil und seine Arbeitsweise unterscheidet sich von anderen Streetart-Künstlern, indem er nämlich Schablonen, die er natürlich selbst fertigt, nutzt und somit seine Werke recht schnell an die Wand bringen kann.
Durch die Schablonentechnik wirken seine Bilder fotografisch genau, die Silhouetten sind scharf und die Motive haben Druckqualität. Das unterscheidet sie natürlich von anderen Graffitikünstlern, fällt sofort auf und regt den Betrachtern zum Nachdenken an.
Die Werke erinnern mehr an Plakate, die man auch unwillkürlich betrachtet, während man Malereien und Graffiti-Kunst oft erst auf dem zweiten Blick wahrnimmt.
Banskys Motive sind kleine Kinder und Erwachsene im Kleidungsstil früherer Jahrzehnte, aber auch viele Ratten als Symbol für das Agieren im Untergrund und Überlebenskünstler.
Durch den nostalgischen Kleidungsstil der Figuren bleibt seine Kunst im Gedächtnis, wirkt überraschend ästhetisch und verwirrt zugleich. Wollte man tiefer in eine Persönlichkeitsanalyse einsteigen, so könnte man vermuten, dass Bansky mit diesen Figuren an seine Eltern denkt, denn da er Jahrgang 1974 ist, lassen sich die Kinderbilder und Erwachsenenfiguren der Generation seiner Eltern zuzuordnen.
Blick ins Buch: BANKSY – Provokation (12. Auflage) – Midas Verlag AG
Wer ist Bansky überhaupt?
Der britische Durchstarter wurde in den 1970er oder 1980er Jahren geboren, bekannt für seine gesellschaftskritischen und oft satirischen Schablonengraffiti, die politische, soziale und wirtschaftliche Themen aufgreifen.
Aktuelle Werte seiner Werke
Banksys Kunstwerke erzielen auf dem Kunstmarkt beeindruckende Preise. Ein bemerkenswertes Beispiel ist „Love is in the Bin“, das 2021 bei Sotheby’s London für über 25 Millionen US-Dollar versteigert wurde.
Im Durchschnitt erzielten seine Gemälde in den letzten 12 Monaten etwa 135.296 US-Dollar, während Drucke und grafische Arbeiten durchschnittlich für 17.140 US-Dollar verkauft wurden.
Da Banksy seine Kunst oft direkt auf öffentliche Wände sprüht, stellt sich die Frage nach dem Erwerb solcher Werke. In einigen Fällen wurden Wandsegmente mit seinen Graffiti herausgeschnitten und verkauft. Dies ist jedoch umstritten, da es den ursprünglichen Kontext der Kunst verändert und Fragen zum Eigentum aufwirft. Alternativ bietet Banksy selbst Drucke und Leinwandarbeiten an, die über Auktionen oder Galerien erworben werden können.
Kommunikation mit der Öffentlichkeit und Authentifizierung
Banksy wahrt seine Anonymität konsequent und kommuniziert selten direkt mit der Öffentlichkeit. Dennoch nutzt er Plattformen wie Instagram, um neue Werke zu präsentieren oder Stellungnahmen abzugeben. Um die Authentizität seiner Werke zu gewährleisten, gründete er das sogenannte Pest Control Office, welches als einzige Instanz Zertifikate für seine Arbeiten ausstellt.
So können Sammler sicher sein, ein echtes Banksy-Werk zu besitzen. Pest Control, das kann man zum einen als Wortspiel mit Presse Kontrolle beziehen, aber es hat auch viel mit seinem Lieblingsmotiv der Ratte zu tun.
Folgende Info finden wir auf seiner Website
„Are you a company looking to licence Banksy art for commercial use? Then you’ve come to the right place – you can’t. Only Pest Control Office have permission to use or license my artwork. If someone else has granted you permission, you don’t have permission. I wrote ‘copyright is for losers’ in my (copyrighted) book and still encourage anybody to take and amend my art for their own personal amusement, but not for profit or making it look like I’ve endorsed something when I haven’t. Thanks.“
Zum Glück aber nutzt Bansky tatsächlich Instagram, wo Sie seine aktuellen Werke und Statements verfolgen können:
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Spannungsgeladen – Graffiti-Kunst hat ein schweres Leben
Zum Graffiti-Künstler muss man wohl geboren sein: Zum einen kann man jederzeit erwischt werden, wie man „Eigentum beschädigt“ oder man verliert seine Kunst sofort wieder an mutwillige Zerstörer.
Beides macht Bansky nichts aus. Zitat aus dem Bildband: „Falls du der Typ bist, der sentimental wird, wenn andere Leute auf deinem Kram herumkritzeln, dann ist Graffiti vermutlich nicht das richtige Hobby für dich.“
Seine Gegner, die seine Werke übermalen, sind daher auch Thema für ihn und wurden bereits als Geier mit Farbrolle als Kopf verewigt. Tatsächlich wird Bansky von vielen anderen Graffiti-Künstlern regelrecht gehasst, wohl zum einen, weil er so erfolgreich ist und zum anderen, weil er mit Schablonen sprüht, was ihnen vielleicht zu einfach vorkommt. Ihm geht es aber vielmehr um seine Aussagen als um die Präsentation von künstlerischen Skills.
Ukraine-Krieg Kritik
Mit zahlreichen Werken in der Ukraine machte sich Bansky bei den Ukrainern und allen Putin-Kritikern beliebt. Er reiste in die zerstörten Gebiete und hinterließ mit seinen russlandkritischen Spraywerken aufmunternde Botschaften.
So stellte er Putin als Judoka dar, der von einem kleinen Jungen (die Ukraine) zu Boden geworfen wird. Immer wieder malt er russische Turnerinnen oder einen alten ukrainischen Mann, der mit stoischer Gelassenheit trotz der Zerstörung seines Umfeldes in der Badewanne sitzt und sich den Rücken schrubbt.
Der Autor dieses Bildbandes passt perfekt zu den Werken Banskys, schafft er es doch Banskys beißend ironischen Humor aufzuzeigen und dem Betrachter seine Herangehensweise und sein hintergründiges Denken nahezubringen.
Die Texte zu den Bildern haben es genauso in sich, wie die Werke selbst. Es ist immer sehr schwer, die Intention eines Künstlers einzufangen und in Worte zu fassen. Es ist auch sehr gewagt. Aber Xavier Tapies gelingt diese Aufgabe absolut. Seine Analysen sind so präzise, unterhaltsam und tiefgründig geschrieben, dass man diesen Bildband immer wieder in die Hand nehmen kann und sollte um die Bilder und Texte auf sich wirken zu lassen.
Hier einige Zitate aus den Texten von Xavier Tapies, die allgemeinverständlich sind und nicht im Kontext zum jeweiligen Bansky-Wert gelesen werden müssen.
- „Bansky, der vielleicht wirkungsvollste, populäre Kritiker unserer Zeit“
- „Bansky ist unser schlechtes Gewissen geworden. Wie die begabtesten Satiriker weiß er, dass er angreifen, schmeicheln, necken, amüsieren und intrigieren muss, um zu uns durchzudringen.“
- „Bansky hatte schon mehrfach gegen McDonald’s ausgeteilt. Der moderne Mensch ist immer noch ein Höhlenmensch, der seinen Appetit stillt. Aus evolutionärer Sicht hat er sich vielleicht sogar rückwärts bewegt – anstatt zu jagen, holt er sich Fastfood, wenn ihn Hunger plagt. “ (Zum Werk „Höhlenmensch“ in Beverly Hills)
- „Mithilfe einer Kopie der 20.000 Jahre alten Höhlenmalereien aus der Dordogne, die zum UNESCO-Welterbe gehören, zeigt Bansky uns einen lächerlich eifrigen Stadtangestellten, der mit einem Hochdruckreiniger wertvolle Kunst entfernt, als handelte es sich nur um Graffiti. „
- „Banskys Verachtung für globale Konzerne und westliche Regierungen ist in den meisten seiner Bilder ganz deutlich zu erkennen. Der Schlipsträger ist ein Idiot, genau wie alle, die dämlich genug sind, ihn anzuheuern. Der schmachvolle Gegensatz zwischen dem Pappschild mit seiner Kinderschrift und dem selbstgefälligen, schleimigen Zuversicht heuchelnden Staubsaugervertreterlächeln ist entscheidend für die Wirkung des Bildes.“ (zum Werk: Ich arbeite auch für Idioten)
Wie man sieht, regt dieses Buch durch Bilder und Texte zum Schmunzeln, Staunen, Nachdenken, Reflektieren an und lässt uns wieder an gute Rebellen der Neuzeit glauben, die aber nicht einfach nur regierungsfeindlich vor sich hin schwurbeln, sondern, die sehr genau hinschauen und deren Kritik einfach fundiert und nicht nur hasserfüllt, neidisch und kindisch ist.
BANKSY – PROVOKATION!
Xavier Tapies
272 Seiten, Hardcover, Euro (D) 39 | Euro (A) 40 | CHF 44
ISBN 978-3-03876-160-0 (Midas Collection)
J. Florence Pompe ist freiberufliche Texterin seit 2010. Nach dem Studium der Germanistik und Pädagogik arbeitete sie einige Jahre in einem kleinen Lehrmittelverlag.
Als Texterin führt sie mehrere eigene WordPress-Blogs und arbeitet für Kunden redaktionell.
Lieblingsthemen sind: Mode, Schmuck, Interieur, Design, Kunst und Musik.
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