Coaching für Doktoranden: Wenn die Promotion ins Stocken kommt

AdinaVoicu / Pixabay

Schreibblockaden, Versagensängste und wenig Unterstützung vom Betreuer: Viele Doktoranden fühlen sich während ihrer Promotion überfordert und denken darüber nach abzubrechen. Jutta Wergen ist Promotionscoach und hilft ihnen dabei, einen Weg aus ihrer Misere zu finden. Ein Interview.

Liebe Frau Wergen, Sie haben selbst promoviert. Lief bei Ihrer Promotion alles glatt – oder hatten Sie mit einigen Hürden zu kämpfen und sind deshalb auf die Idee gekommen, andere Doktoranden bei ihrem Promotionsprojekt zu unterstützen?

Glatt läuft es ja bei keiner Promotion, aber das war nicht der Grund für meine jetzige Tätigkeit. Ein bisschen hat es sich so ergeben, indem ich nach der Promotion zunächst ein Graduiertenkolleg koordiniert habe und mehrere Ausbildungen unter anderem als Schreibtrainerin und als Coach gemacht habe. Später habe ich dann gemerkt, dass es einen Markt und einen Bedarf für meine Kompetenzen gibt. Die Erfahrungen aus meiner eigenen Promotion helfen mir aber heute immer noch, Promovierende zu unterstützen.

Welche Schwerpunkte setzen Sie als Promotionscoach?

Mittlerweile arbeite ich seit über 15 Jahren in der Nachwuchsförderung mit Promovierenden und mit Studierenden, die eine Promotion in Erwägung ziehen. Dabei berate oder lehre ich zu vielen ganz unterschiedlichen Themen in der Nachwuchsförderung. Ganz gleich, ob es um die Themen Networking, Selbstmanagement, Schreiben, Feedback oder die Karriereplanung geht – all diese Bereiche kann ich abdecken, entweder in Workshops, in individuellen Coachings oder im Online-Coaching-Kurs.

Woran kann ich einen guten Promotionscoach erkennen?

Meistens erkennt man einen guten Coach ja daran, dass das Problem, das man hatte, gelöst ist. Das kann man aber immer nur hinterher feststellen. Ich würde darum im Vorfeld prüfen, ob der Coach das wissenschaftliche Umfeld kennt, ob er gar selbst promoviert ist. Und dann sollten Coaches in der Wissenschaft nicht nur das wissenschaftliche Feld kennen, sie sollten auch mindestens eine, wenn nicht mehrere Coachingausbildungen absolviert haben. Coaches für Promovierende sollten sich auch mit Schreibcoaching auskennen und wissen, wie die Prozesse des Promovierens ablaufen. Außerdem sollten sie wissen, wie Strukturen in Hochschulen funktionieren – weil die doch sehr speziell sind.

Mit welchen Problemen kommen Doktoranden auf Sie zu?

Das ist ganz unterschiedlich. Die Promovierenden, die zu mir kommen wollen ihre Promotionsprozesse verbessern, wollen ihre Schreib-Organisation verändern, wollen neue Techniken lernen oder aber sie denken darüber nach ihre Promotion abzubrechen. Manchmal bestehen Kommunikationsprobleme oder Konflikte mit der Promotionsbetreuung. Darüber hinaus kommen auch Promotionsbetreuer und -betreuerinnen zu mir, die ihre Promovierenden besser unterstützen möchten.

In welcher Phase der Promotion wenden sich Doktoranden typischerweise an Sie?

Auch das variiert sehr stark. Grundsätzlich unterstütze ich Doktoranden in allen Phasen der Promotion: Ich helfe bei der Entscheidung für oder gegen eine Promotion, berate Doktoranden, die gerade ihr Exposé schreiben, unterstütze dabei, das richtige Thema und die passende Betreuung zu finden, gebe Tipps zu Finanzierungsmöglichkeiten, gebe Schreibcoachings und helfe selbstverständlich auch bei der Vorbereitung auf die Disputation und der Veröffentlichung der fertigen Arbeit.

Welche Tipps haben Sie für jemanden, der gerade unter einer akuten Schreibblockade leidet?

Der einzig gute Tipp ist: Such dir schnell jemanden, der dir helfen kann! Schreibblockaden haben verschiedene Ursachen und es ist sinnvoll, schnell die Ursache anzugehen und nicht lange zu leiden. Mit der richtigen Unterstützung können Schreibblockaden häufig sehr schnell und einfach gelöst werden, sodass der oder die Betroffene rasch wieder in einen Schreib-Flow kommt. In vielen Fällen ist ein ganz wichtiger Aspekt, dass die Schreibenden daran arbeiten, wieder an sich zu glauben – die Ursachen von Schreibblockaden liegen nämlich in den wenigsten Fällen bei den Schreibenden selbst!

Neben der individuellen Beratung bieten Sie auch Online-Coaching-Kurse an. Was kann ich mir als Coachee von einem solchen Kurs erhoffen?

Meine Online-Kurse bieten eine längere Begleitung von Promovierenden an. Der aktuelle Kurs geht über zwölf Wochen, in denen Module mit Arbeitsunterlagen bereitgestellt werden. Dabei entscheiden die Promovierenden selbst, wieviel Zeit sie investieren möchten. Während dieser Zeit arbeiten die Promovierenden in kleinen Erfolgsteams zusammen, die von mir unterstützt werden. Während des Programms gibt es Webinare, Frage-Antwort-Chats und auch ein individuelles Telefoncoaching mit mir. In den zwölf Wochen lernen die Promovierenden neue Techniken kennen, in denen es um Zielformulierung, Motivation, Schreibtechniken, Selbstmarketing oder Kommunikation geht. Am Ende der Zeit organisieren sich die Promovierenden nachhaltig anders und sie haben gelernt, individuelle Strategien zu entwickeln und sich besser zielführend zu vernetzen.

Können Sie uns von einer Erfolgsstory eines Ihrer Coachees berichten?

Auf jeden Fall! Besonders am Herzen liegt mir die Geschichte einer Teilnehmerin, die vor fast 15 Jahren in meinem Seminar „Will ich oder will ich nicht promovieren?“ teilgenommen hat. Danach war sie noch in einer Exposé-Werkstatt bei mir. Ab und zu habe ich sie persönlich beraten und sie hat mir während ihrer Promotion manchmal geschrieben. Heute ist sie Professorin und ich weiß, dass ihr Weg kein leichter war. Als alleinerziehende Mutter mit einem schwierigen Verhältnis zur Promotionsbetreuung hat sie sehr gekämpft. Wenn ich heute manchmal ihren Namen auf einem Tagungsprogramm lese, dann freue ich mich immer wieder aufs Neue, dass sie es trotz mancherlei Widrigkeiten so weit geschafft hat.

Kann eine Erfolgsstory auch den Abbruch der Promotion beinhalten?

Natürlich kann eine Erfolgsstory in beide Richtungen gehen: Entweder hat jemand erfolgreich seine Promotion abgeschlossen – oder er hat sie erfolgreich abgebrochen. Der verbreiteten Vorstellung, dass ein Abbruch gleichbedeutend ist mit einer Niederlage, kann ich nicht zustimmen. Denn auch Personen, die ihre Promotion abgebrochen haben, können heute sehr erfolgreich sein. Als Coach ist es für mich manchmal schwierig, zu erkennen welche Entscheidung, die Promotion weiterzuführen oder die Promotion abzubrechen, die richtige ist. Durch die richtigen Fragen und Impulse kann ich aber dem Coachee dabei helfen, die richtige Antwort für sich selbst zu finden.

 Was ist ein typischer Glücksmoment in Ihrem Job?

 Besonders zufrieden und glücklich bin ich in Workshops oder in meinem Online-Coaching-Kurs, wenn sich die Teilnehmenden finden und gegenseitig unterstützen. Früher, als ich klein war, wollte ich Hebamme werden. Manchmal habe ich heute das Gefühl, dass ich von diesem Berufswunsch gar nicht so weit entfernt bin. Es sind zwar keine lebendigen Babys die ich auf die Welt begleite, aber ich darf Menschen dabei begleiten, etwas sehr Wichtiges – eine Art anderes Baby – in die Welt zu bringen.

Liebe Frau Wergen, vielen Dank für das Gespräch!

Über Jutta Wergen:

Dr. Jutta Wergen ist die Gründerin von Coachingzonen Wissenschaft. Sie ist Coach (systemisch/hypnosystemisch), Schreibtrainerin und Expertin für das Thema „Erfolgreich Promovieren“, die Promotionsphase generell und Förderung des wissenschaftlichen Nachwuchses. Das Team von Coachingzonen-Wissenschaft unterstützt Promovierende zu allen Themen rund um die Promotion. Mehr erfahren Sie auf der Webseite www.coachingzonen-wissenschaft.de

Juliane Tranacher

Merken

Hinterlasse jetzt einen Kommentar

Kommentar hinterlassen

E-Mail Adresse wird nicht veröffentlicht.


*


*